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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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überquerte, fand sie besonders, wenn sie Leute bei sich hatte, Vergnügen daran zu rufen:
    »Sehen Sie nur den Herrn Pfarrer; das ist einer, der Fett ansetzt? – Wenn er aus demselben Teller äße wie Herr Mouret, würde man glauben, er ließe ihm nur die Knochen.«
    Sie lachte, und man lachte mit ihr. Abbé Faujas entwickelte sich tatsächlich prächtig, trug stets schwarze Handschuhe und eine glänzende Soutane. Wenn Frau de Condamin ihn zu seinem guten Aussehen beglückwünschte, hatte er ein eigentümliches Lächeln, ein ironisches Kräuseln der Lippen. Die Damen liebten ihn gut angezogen, protzig und weichlich gekleidet. Er mochte von einem Faustkampf mit bloßen Armen, ohne Sorge um die Klamotten, träumen. Aber wenn er sich gehenließ, holte ihn der geringste Vorwurf der alten Frau Rougon aus seiner Nachlässigkeit; er lächelte, er kaufte seidene Strümpfe, einen Hut, einen neuen Gürtel. Er verbrauchte viel, sein mächtiger Leib brachte alles zum Krachen.
    Seit der Gründung des Marienwerkes waren alle Frauen auf seiner Seite, sie verteidigten ihn gegen die häßlichen Gerüchte, die manchmal noch in Umlauf waren, ohne daß man ihre Quelle deutlich zu erraten vermochte. Sie fanden ihn zeitweise wohl ein bißchen grob; aber diese Roheit mißfiel ihnen nicht, vornehmlich im Beichtstuhl nicht, wo sie es gern spürten, wie sich diese Eisenhand auf ihren Nacken legte.
    »Meine Liebe«, sagte Frau de Condamin eines Tages zu Marthe, »gestern hat er mich ausgescholten. Ich glaube, er hätte mich geschlagen, wenn nicht ein Brett zwischen uns gewesen wäre … Ah! Er ist nicht immer bequem!« Und sie lachte schwach, genoß noch immer diesen Streit mit ihrem Beichtvater.
    Es muß gesagt werden, daß Frau de Condamin bemerkt zu haben glaubte, wie Marthe blaß wurde, wenn sie ihr gewisse vertrauliche Mitteilungen über die Art und Weise machte, mit der Abbé Faujas die Beichte abnahm; sie ahnte ihre Eifersucht, sie fand ein boshaftes Vergnügen daran, sie zu quälen, indem sie ihr die intimen Einzelheiten noch deutlicher ausmalte.
    Als Abbé Faujas den Jugendklub gegründet hatte, wurde er gutmütig; das war gleichsam eine neue Menschwerdung. Unter der Willensanstrengung gab seine strenge Natur wie weiches Wachs nach. Er ließ zu, daß man erzählte, welchen Anteil er an der Eröffnung des Klubs gehabt hatte; er wurde der Freund aller jungen Leute der Stadt, paßte noch mehr auf sich auf, weil er wußte, daß eben der Schule entschlüpfte Jünglinge nicht wie Frauen Geschmack an Grausamkeiten haben. Er hätte sich beinahe mit Herrn Rastoils Sohn erzürnt, dem er anläßlich einer Auseinandersetzung über die Geschäftsordnung des Klubs gedroht hatte, ihm die Ohren langzuziehen; aber mit einer überraschenden Selbstbeherrschung reichte er ihm fast gleich darauf die Hand, demütigte sich, brachte die Anwesenden auf seine Seite durch die feine liebenswürdige Art, in der er »diesen großen Dummkopf Séverin«, wie man ihn nannte, um Entschuldigung bat.
    Hatte der Abbé die Frauen und die Kinder erobert, so blieb er mit den Vätern und Gatten auf dem Fuß einfacher Höflichkeit. Die gewichtigen Persönlichkeiten hegten weiterhin Mißtrauen gegen ihn, weil sie sahen, daß er abseits jeder politischen Gruppe blieb. In der Unterpräfektur stellte Herr Péqueur des Saulaies lebhaft Erörterungen über ihn an, während Herr Delangre, ohne ihn unumwunden zu verteidigen, mit schlauem Lächeln sagte, daß man abwarten müsse, um ein Urteil über ihn zu fällen. Bei Herrn Rastoil war er ein wahrer Hausfriedensstörer geworden. Séverin und seine Mutter hörten nicht auf, den Präsidenten mit Lobliedern über den Priester zu ermüden.
    »Gut! Gut! Er hat alle Vorzüge, die ihr wollt«, rief der Unglückliche. »Einverstanden, laßt mich in Ruhe. Ich habe ihn zum Essen einladen lassen; er ist nicht gekommen. Ich kann ihn doch nicht am Arm packen, um ihn herzubringen.«
    »Aber, mein Freund«, sagte Frau Rastoil, »wenn du ihn triffst, grüßt du ihn kaum. Das muß ihn gekränkt haben.«
    »Ohne Zweifel«, fügte Séverin hinzu. »Er merkt wohl, daß Sie sich nicht so mit ihm stehen, wie Sie sollten.«
    Herr Rastoil zuckte die Achseln.
    Wenn Herr de Bourdeu da war, beschuldigten beide Abbé Faujas, er neige mehr zur Unterpräfektur hin.
    Frau Rastoil machte darauf aufmerksam, daß er dort nicht speise, daß er sogar nie den Fuß hineingesetzt habe.
    »Gewiß«, antwortete der Präsident, »ich beschuldige ihn nicht, Bonapartist32 zu

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