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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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stumpfsinniger Miene, kaum antwortend, wie von einer unheilbaren Krankheit befallen.
    »Es geht bergab mit ihm, es geht bergab mit ihm«, murmelten sie. »Mit vierundvierzig Jahren ist das unbegreiflich. Schließlich wird er noch kindisch.«
    Die Anspielungen, die man in seiner Gegenwart boshafterweise wagte, schien er nicht mehr zu hören. Wenn man ihn rundheraus nach Abbé Faujas fragte, errötete er leicht und antwortete, er sei ein guter Mieter, er zahle seine Miete sehr pünktlich. Hinter seinem Rücken grinsten die kleinen Rentiers, die auf irgendeiner Bank am Cours Sauvaire im Sonnenschein saßen.
    »Schließlich widerfährt ihm nur das, was er verdient«, sagte ein früherer Möbelhändler. »Sie erinnern sich, wie er Feuer und Flamme für den Pfarrer war; er sang an allen vier Enden von Plassans Loblieder auf ihn. Wenn man ihn heute wieder auf dieses Thema bringt, macht er ein komisches Gesicht.«
    Dann wiederholten die Herren gewisse anstößige Klatschereien, die sie sich von einem Bankende zum anderen vertraulich ins Ohr flüsterten.
    »Wie dem auch sei«, begann ein Gerbermeister, der sich zur Ruhe gesetzt hatte, halblaut wieder. »Mouret hat keinen Schneid; ich würde den Pfarrer vor die Tür setzen.«
    Und tatsächlich erklärten alle, daß Mouret, der sich so über die Ehemänner lustig gemacht hatte, die von ihren Frauen an der Nase herumgeführt wurden, keinen Schneid habe.
    In der Stadt gingen diese Verleumdungen trotz der Hartnäckigkeit, die gewisse Leute aufzubringen schienen, um sie zu verbreiten, nicht über einen bestimmten Kreis von Müßiggängern und Schwätzern hinaus. Wenn der Abbé es ablehnte, das Pfarrhaus zu bewohnen, und bei den Mouret geblieben war, konnte das, wie er selber sagte, nur aus Liebe zu jenem schönen Garten geschehen, in dem er so ruhig sein Brevier las. Seine erhabene Frömmigkeit, seine strenge Lebensführung, seine Geringschätzung der kleinen Eitelkeiten, die sich die Priester erlaubten, machten ihn über jeden Verdacht erhaben. Die Mitglieder des Jugendklubs beschuldigten Abbé Fenil, er trachte, Abbé Faujas ins Verderben zu stürzen. Überdies gehörte Abbé Faujas die ganze Neustadt. Er hatte nur noch das SaintMarcViertel gegen sich, dessen adlige Bewohner sich behutsam zurückhielten, wenn sie ihm in Monsignore Rousselots Salon begegneten. Indessen schüttelte er den Kopf, wenn die alte Frau Rougon ihm sagte, er könne alles wagen.
    »Noch ist nichts von Dauer«, murmelte er. »Ich habe niemanden in der Hand. Es bedürfte nur eines Strohhalms, um das Gebäude zum Einstürzen zu bringen.«
    Seit einiger Zeit beunruhigte ihn Marthe. Er fühlte sich unfähig, dieses fromme Fieber, das sie verbrannte, zu stillen. Sie entglitt ihm, war ungehorsam, stürzte sich weiter vor, als ihm lieb war. Diese so nützliche Frau, diese geachtete Gönnerin konnte ihn ins Verderben bringen. In ihrem Innern war eine Flamme, die ihren Körper sprengte, ihr die Haut bräunte und blaue Schatten um die Augen legte. Es war gleichsam ein wachsendes Übel, ein Irrewerden des ganzen Wesens, das nach und nach auf Hirn und Herz übergriff. Ihr Gesicht ertrank in Verzückung, ihre Hände streckten sich mit nervösem Zittern aus. Ein trockener Husten erschütterte sie zuweilen von Kopf bis Fuß, ohne daß sie das Zerreißen zu spüren schien. Und er, er wurde härter, stieß diese Liebe zurück, die sich anbot, untersagte ihr, nach SaintSaturnin zu kommen.
    »Die Kirche ist eiskalt«, sprach er. »Sie husten zu sehr. Ich will nicht, daß Sie Ihr Übel verschlimmern.«
    Sie versicherte, es sei nichts weiter, eine einfache Reizung der Kehle. Dann beugte sie sich, sie nahm dieses Verbot, in die Kirche zu gehen, wie eine verdiente Züchtigung hin, die ihr die Pforte des Himmels verschloß. Sie schluchzte, hielt sich für verdammt, schleppte ihre leeren Tage dahin; und wider ihren Willen schlich sie, wenn der Freitag herankam, wie eine Frau, die zur verbotenen Liebe zurückkehrt, demütig in die SaintMichelKapelle, lehnte ihre brennende Stirn gegen das Holz des Beichtstuhls. Sie sprach nicht; zermalmt verharrte sie dort, während Abbé Faujas, der verärgert war, sie grob wie eine unwürdige Tochter behandelte. Er schickte sie fort. Erleichtert und glücklich ging sie dann davon.
    Der Priester hatte Angst vor der Finsternis der SaintMichelKapelle. Er veranlaßte Doktor Porquier einzuschreiten, der Marthe dazu bewog, in dem kleinen Betzimmer des Marienwerkes in der Vorstadt zu beichten. Abbé Faujas

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