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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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versprach, sie dort alle vierzehn Tage am Sonnabend zu erwarten. Dieses Betzimmer, das in einem großen, weißgetünchten Raum mit vier riesigen Fenstern eingerichtet war, hatte eine Heiterkeit an sich, auf die er rechnete, um die überreizte Phantasie der Beichtenden zu besänftigen. Dort würde er sie beherrschen, eine unterwürfige Sklavin aus ihr machen, ohne einen möglichen Skandal befürchten zu müssen. Um jedes boshafte Gerücht von vornherein zu ersticken, wünschte er überdies, daß seine Mutter Marthe begleitete. Während er dieser die Beichte abnahm, blieb Frau Faujas an der Tür sitzen. Die alte Dame, die nicht gern ihre Zeit vertat, nahm einen Strumpf mit, an dem sie strickte.
    »Mein liebes Kind«, sagte sie oft zu ihr, wenn sie zusammen in die Rue Balande zurückkehrten, »heute habe ich Ovide abermals sehr heftig sprechen hören. Können Sie ihn denn nicht zufriedenstellen? Lieben Sie ihn denn nicht? Ah! Wie gern wäre ich an Ihrer Stelle, um ihm die Füße zu küssen … Ich werde Sie schließlich noch verabscheuen, wenn Sie ihm nur Kummer zu machen verstehen.«
    Marthe senkte den Kopf. Sie schämte sich sehr vor Frau Faujas. Sie liebte sie nicht, war eifersüchtig auf sie, weil sie sie immer zwischen sich und dem Priester fand. Zudem litt sie unter den schwarzen Blicken der alten Dame, die voller befremdender und beunruhigender Ermahnungen waren und denen sie unaufhörlich begegnete.
    Marthes schlechter Gesundheitszustand genügte, um ihre Zusammenkünfte mit Abbé Faujas im Betzimmer des Marienwerkes zu erklären. Doktor Porquier versicherte, daß sie damit lediglich eine seiner Anordnungen befolge. Dieser Ausspruch brachte die Spaziergänger auf dem Cours Sauvaire sehr zum Lachen.
    »Wie dem auch sei«, sagte Frau Paloque zu ihrem Mann, als sie Marthe eines Tages in Begleitung von Frau Faujas die Rue Balande herunterkommen sah, »ich wäre sehr begierig, in einem kleinen Winkel zu sitzen, um zu sehen, was der Pfarrer mit seiner Geliebten macht … Sie macht einem Spaß, wenn sie von ihrem starken Husten spricht! Als ob ein starker Husten einen daran hindere, in einer Kirche zu beichten! Ich habe auch Husten gehabt; ich habe mich deswegen nicht mit den Abbés in den Kapellen versteckt.«
    »Es ist nicht recht von dir, dich um Abbé Faujas˜ Angelegenheiten zu kümmern. Ich bin gewarnt werden. Das ist ein Mann, auf den man Rücksicht nehmen muß; du bist zu nachtragend, du wirst es verhindern, daß wir hochkommen.«
    »Aha!« entgegnete sie schneidend. »Sie haben sich über mich hinweggesetzt; sie sollen von mir hören … Dein Abbé Faujas ist ein großer Dummkopf. Glaubst du, Abbé Fenil wäre nicht dankbar, wenn ich den Pfarrer und seine Schöne dabei überraschte, wenn sie sich verliebte Worte sagen! Wahrhaftig, er würde für einen solchen Skandal hübsch was ausgeben … Laß mich nur machen, du verstehst nichts von diesen Dingen.«
    Vierzehn Tage später lauerte Frau Paloque am Sonnabend Marthe auf, als sie von Hause fortging. Sie stand fertig angezogen hinter ihren Vorhängen, verbarg ihr Scheusalsgesicht und überwachte die Straße durch ein Loch im Musselin. Als die beiden Frauen an der Ecke der Rue Taravelle verschwunden waren, grinste sie breit. Sie beeilte sich nicht, zog ihre Handschuhe an, ging ganz gemächlich über den Place de la SousPréfecture, machte einen großen Bogen und verweilte sich auf dem Kopfsteinpflaster. Als sie an Frau de Condamins vornehmem Haus vorbeiging, kam ihr einen Augenblick der Gedanke, hinaufzugehen und sie mitzunehmen; aber sie würde vielleicht Bedenken haben. Alles in allem war es besser, auf einen Zeugen zu verzichten und das Unternehmen rasch durchzuführen.
    Ich habe ihnen Zeit gelassen, zu den schweren Sünden zu gelangen, ich glaube, ich kann mich jetzt einfinden, dachte sie nach einem viertelstündigen Spaziergang.
    Dann beschleunigte sie den Schritt. Sie kam oft zum Marienwerk, um sich mit Trouche über Einzelheiten der Buchführung zu verständigen. Statt in das Arbeitszimmer des Angestellten einzutreten, ging sie an diesem Tag den Korridor entlang, stieg wieder hinunter, schritt schnurstracks auf das Betzimmer zu. Vor der Tür saß Frau Faujas auf einem Stuhl und strickte seelenruhig. Die Richtersfrau hatte dieses Hindernis vorhergesehen. Mit der schroffen Miene einer geschäftigen Dame kam sie gradeswegs auf die Tür zu. Aber bevor sie noch den Arm ausgestreckt hatte, um die Klinke herunterzudrücken, hatte sich die alte Dame erhoben und

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