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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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brauchtest mich wegen der Neugierigen. Da habe ich mich dorthin gesetzt. Ich stehe dafür ein, daß es euch freigestanden hat, zu tun, was ihr gewollt hättet; niemand hätte die Nase hineingesteckt.«
    Er begriff, er packte sie bei den Händen, rüttelte sie und sagte:
    »Wie, Mutter, Ihr habt annehmen können …?«
    »Je nun! Ich habe nichts angenommen«, entgegnete sie mit einer erhabenen Unbekümmertheit. »Es steht dir frei, zu tun, was dir beliebt, und alles, was du tust, ist wohlgetan, siehst du; du bist mein Kind … Ich würde für dich stehlen gehen, das steht fest.«
    Aber er hörte nicht mehr hin. Er hatte die Hände seiner Mutter losgelassen; gleichsam in tiefe Überlegungen verloren, die sein Gesicht strenger und härter machten, sah er sie an.
    »Nein, nie, nie«, sagte er mit herbem Stolz. »Ihr irrt Euch, Mutter … Nur ein der Keuschheit ergebener Mann ist stark.«
     

Kapitel XVI
    Mit siebzehn Jahren lachte Désirée noch immer ihr Lachen eines unschuldigen Kindes. Sie war ein großes, schönes Mädchen geworden, üppig, mit Armen und Schultern einer ausgewachsenen Frau. Sie schoß wie eine kräftige Pflanze in die Höhe, war glücklich, zu wachsen und zu gedeihen, unbekümmert über das Unglück, das das Haus leerte und verdüsterte.
    »Du lachst nicht«, sagte sie zu ihrem Vater. »Willst du seilspringen? Das macht Spaß!«
    Sie hatte sich eines ganzen Gartengevierts bemächtigt; sie grub um, pflanzte Gemüse, goß. Schwere Arbeiten waren ihre Freude. Dann hatte sie Hühner haben wollen, die ihr Gemüse auffraßen, Hühner, die sie mit mütterlicher Zärtlichkeit ausschalt. Bei diesen Spielen auf der Erde, inmitten der Tiere, machte sie sich schrecklich schmutzig.
    »Sie ist ein wahrer Dreckfink!« rief Rose. »Vor allem will ich nicht mehr, daß sie in meine Küche kommt, sie bringt überall Dreck hin … Das sage ich Ihnen, Madame, Sie sind schön dumm, sie herauszustaffieren; ich an Ihrer Stelle ließe sie nach ihrem Belieben im Schlamm herumpatschen.«
    Marthe, deren ganzes Wesen befallen war, paßte nicht einmal mehr auf, daß Désirée die Wäsche wechselte. Das Kind behielt dasselbe Hemd manchmal drei Wochen lang an; seine Strümpfe, die auf die schiefgelaufenen Schuhe herabrutschten, hatten keine Fersen mehr, seine jämmerlichen Röcke hingen wie die Lumpen einer Bettlerin herunter. Eines Tages mußte Mouret die Nadel zur Hand nehmen; das hinten von oben bis unten aufgeschlitzte Kleid ließ Désirées Haut sehen. Sie lachte, daß sie halb nackt war, ihr die Haare auf die Schultern herabfielen, ihre Hände schwarz, ihr Gesicht ganz beschmiert war.
    Marthe empfand schließlich eine Art Ekel. Wenn sie von der Messe zurückkam und in ihrem Haar noch die unbestimmten Düfte der Kirche hatte, nahm sie Anstoß an dem kräftigen Erdgeruch, den ihre Tochter an sich hatte. Gleich nach dem Mittagessen schickte sie sie wieder in den Garten; sie konnte sie nicht neben sich ertragen, weil diese stämmige Gesundheit, dieses helle Lachen, das an allem seinen Spaß hatte, sie beunruhigten.
    »Mein Gott! Ist dieses Kind lästig!« murmelte sie zuweilen mit einer Miene kraftlosen Überdrusses.
    Mouret, der hörte, wie sie sich beklagte, sagte in einer Anwandlung von Zorn zu ihr:
    »Wenn sie dir hinderlich ist, kann man sie ja wie die beiden anderen vor die Tür setzen.«
    »Weiß Gott! Es wäre eine große Beruhigung für mich, wenn sie nicht mehr da wäre«, antwortete sie rundheraus.
    Gegen Ende des Sommers erschrak Mouret eines Nachmittags, als er Désirée, die einige Minuten zuvor hinten im Garten einen schrecklichen Spektakel gemacht hatte, nicht mehr hörte. Er lief hin, fand sie auf der Erde liegen. Sie war von einer Leiter gefallen, auf die sie gestiegen war, um Feigen zu pflücken; die Buchsbaumbüsche hatten ihren Sturz glücklicherweise abgeschwächt.
    Mouret nahm sie entsetzt in die Arme und rief um Hilfe. Er hielt sie für tot; aber sie kam wieder zu sich, versicherte, daß sie sich nicht weh getan habe, und wollte wieder auf die Leiter steigen.
    Unterdessen war Marthe die Freitreppe heruntergekommen. Als sie Désirée lachen hörte, wurde sie böse.
    »Dieses Kind bringt mich noch um«, sagte sie. »Sie kann sich was aushecken, das mir einen Stoß versetzt. Ich bin sicher, sie hat sich absichtlich auf die Erde geschmissen. Das ist nicht mehr zum Aushalten. Ich werde mich in mein Zimmer einschließen, ich werde morgens weggehen, um erst abends nach Hause zu kommen … Jawohl, lach nur, du

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