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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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von Brot und Wasser lebten, war es ihm nie in den Sinn gekommen, von den Mourets zehn Francs zu leihen.
    Marine fand ein sicheres Versteck für die hundert Francs, die ihr blieben. Auch sie wurde geizig; sie berechnete, wie dieses Geld zu verwenden sei, wollte jeden Morgen etwas Neues kaufen. Da sie sich nicht entschließen konnte, teilte Rose ihr mit, daß Frau Trouche sie unter vier Augen sprechen möchte. Olympe, die sich stundenlang in der Küche aufhielt, war Roses Busenfreundin geworden, bei der sie sich an den Tagen, an denen sie angeblich ihr Portemonnaie vergessen hatte, oft vierzig Sous auslieh, um nicht wieder die zwei Stockwerke hinaufgehen zu müssen.
    »Gehen Sie nach oben und besuchen Sie sie«, fügte die Köchin hinzu. »Sie können dort besser mit ihr reden … Es sind rechtschaffene Leute, die den Herrn Pfarrer sehr lieben. Sie haben viel Plackereien gehabt, sage ich Ihnen. Was Madame Olympe mir alles erzählt hat, ist herzzerreißend.«
    Marthe traf Olympe weinend an. Sie seien zu gutmütig, man habe sie immer mißbraucht; und sie erging sich in Erklärungen über ihre Geschäfte in Besançon, wo ihnen die Schurkerei eines Teilhabers drückende Schulden aufgeladen habe. Das schlimmste sei, daß die Gläubiger böse würden. Sie habe gerade einen beleidigenden Brief bekommen, in denen man ihr drohte, an den Bürgermeister und den Bischof von Plassans zu schreiben.
    »Ich bin bereit, alles zu erdulden«, fügte sie schluchzend hinzu, »aber ich würde meinen Kopf hingeben, damit mein Bruder keinen Unannehmlichkeiten ausgesetzt wird … Er hat schon zuviel für uns getan; ich will mit ihm über nichts sprechen, denn er ist nicht reich; er würde sich unnütz quälen … Mein Gott! Wie soll ich es anstellen, um diesen Menschen daran zu hindern, daß er die Briefe schreibt? Mein Bruder würde vor Schande sterben, wenn ein solcher Brief im Rathaus oder in der bischöflichen Residenz einginge. Ja, ich kenne meinen Bruder, er würde daran sterben.«
    Da stiegen auch Marthe die Tränen in die Augen. Sie war ganz bleich, sie drückte Olympe die Hände. Dann bot sie ihr, ohne daß diese sie um irgend etwas gebeten hatte, ihre hundert Francs an.
    »Es ist freilich wenig; aber wenn das die Gefahr abwenden könnte?« fragte sie ängstlich.
    »Hundert Francs, hundert Francs«, sagte Olympe mehrmals, »nein, nein, er wird sich nie mit hundert Francs zufriedengeben.«
    Marthe war verzweifelt. Sie beteuerte, daß sie nicht mehr besitze. Sie vergaß sich so weit, von den Meßkännchen zu sprechen. Hätte sie sie nicht gekauft, hätte sie die dreihundert Francs geben können.
    Frau Trouches Augen hatten Feuer gefangen.
    »Dreihundert Francs, das ist genau das, was er verlangt«, sagte sie. »Sehen Sie, Sie hätten meinem Bruder einen viel größeren Gefallen getan, wenn Sie ihm dieses Geschenk, das übrigens in der Kirche bleiben wird, nicht gemacht hätten. Was für schöne Sachen haben ihm die Damen von Besançon gebracht! Heute ist er deswegen auch nicht reicher. Verschenken Sie nichts mehr, das ist eine Dieberei. Fragen Sie mich um Rat. Es gibt soviel verborgenes Elend! Nein, hundert Francs werden nie und nimmer ausreichen.«
    Als sie nach Verlauf einer guten halben Stunde Gejammers einsah, daß Marthe tatsächlich nur hundert Francs besaß, nahm sie sie schließlich an.
    »Ich werde das Geld hinschicken, damit sich dieser Mensch geduldet«, murmelte sie, »aber er wird uns nicht lange in Frieden lassen … Und vor allem flehe ich Sie an, sagen Sie meinem Bruder nichts davon; Sie würden ihn umbringen … Es ist auch besser, wenn mein Mann unsere kleinen Geschäfte nicht kennt; er ist so stolz, daß er Dummheiten begehen würde, um sich Ihnen gegenüber dankbar zu erweisen. Unter Frauen versteht man sich immer.«
    Marthe war sehr glücklich, daß sie das Geld Olympe geliehen hatte. Von nun an hatte sie eine neue Sorge: von Abbé Faujas, ohne daß er etwas vermutete, die Gefahr abzulenken, die ihn bedrohte. Sie ging oft zu den Trouches hinauf, brachte dort Stunden damit zu, mit Olympe eine Möglichkeit zu suchen, die Schuldforderungen zu begleichen. Olympe hatte erzählt, daß zahlreiche ungedeckte Wechsel von dem Priester indossiert waren und daß der Skandal unermeßlich wäre, wenn diese Wechsel jemals an irgendeinen Gerichtsvollzieher in Plassans geschickt würden. Der Gesamtbetrag der Forderungen war ihrem Reden nach so groß, daß sie sich lange weigerte, ihn zu nennen, und nur heftiger weinte, als Marthe

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