Die Erpresserin
tiefgebräunter Haut entgegenleuchtete. Ich ließ Baby
wieder los, und sie zog den schwarzen Pullover herunter. Sie drehte sich zu mir
um, das Gesicht vor kindischer Wut verzogen.
»Sie billiger Dreckskerl!« Sie
erstickte beinahe an ihren eigenen Worten. »Für wen halten Sie mich eigentlich,
daß Sie mich hier herumschubsen?«
»Ich halte Sie jedenfalls für
widerstandsfähig, Baby«, sagte ich in bewunderndem Ton. »Erst gestern nacht hat Clay Sie mit einem Ledergürtel halb zu
Tode geprügelt, und heute morgen ist noch nicht einmal ein blauer Fleck zu
sehen? Was haben Sie denn draufgeschmiert? Gänsefett? Oder vielleicht irgendein
Mittel, dessen Rezept Ihre Großmutter einem Hexenhandbuch entnommen hat?«
Einen Augenblick lang starrte
sie mich nur verblüfft an, dann drehte sie sich schnell um und rannte zur
Garage hinüber, wobei ihre Hinteransicht so wenig spektakulär wie immer war.
Wenn sie also gelogen hatte, als sie mir auftischte, daß Clay sie gestern nacht verprügelt habe, überlegte ich, war sie dann
eine geborene Lügnerin oder nur eine Gelegenheitslügnerin? Es war eine dieser
unbeantwortbaren Fragen, die ich dem schnellwachsenden Stapel aller übrigen
zufügen konnte, die sich bei mir ansammelten, ohne daß ich mich im geringsten
darum bemüht hatte.
ACHTES KAPITEL
I ch schaffte Carmel in knapp
drei Stunden, wobei ich die Berg- und Talbahn benutzte, welche irgendein
Ingenieur mit einem hintergründigen Sinn für Humor als »Schnellstraße Nummer
eins« bezeichnet hatte. Das Büro des Grundstücksmaklers lag unmittelbar hinter
der Hauptstraße, Wange an Wange mit einem dieser selbstbewußten Kunstläden,
welche auf »Treibholz«-Abstrakte spezialisiert sind.
Der Grundstücksmakler stellte
sich als Grundstücksmaklerin heraus — eine Mrs. Bush, die wie eine jener
hilflosen Witwen aussah, welche mit einem Blick aus den dick mit Mascara
bemalten Augen das Kleingedruckte ihrer Mietverträge aufsagen können. Sie war
in den Fünfzigern, hatte sich auf hundertundzehn Pfund fleischüberzogenen Stahls heruntergetrimmt, und ihre makellose Frisur
hatte einen bläulichen Schimmer. Sie sah mich an, als ich ins Büro trat, und
ich spürte, daß sie einen Röntgenblick hatte und der Inhalt meiner Brieftasche
bereits vor ihrem Auge bloßlag.
»Guten Tag.« Sie lächelte mich
vorsichtig an. »Ich bin Harriet Bush. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich heiße Holman«, sagte ich.
»Sie haben vor etwa drei Monaten einer Mrs. Rankin ein Haus vermietet, nicht
wahr?«
»Habe ich das?« In ihren
wachsamen grauen Augen lag ein Glanz wie von kaltem Stahl. »Während der Saison
gibt es so viele kurzfristige Vermietungen, Mr. Holman.«
Ich nahm die zerknitterte
Quittung aus meiner Brieftasche, glättete zwei ihrer allzu offensichtlichen
Falten und legte sie auf den Schreibtisch vor Mrs. Bush. »Diese Mrs. Rankin«,
sagte ich. »Das Datum steht darauf.«
Sie gab sich nicht die Mühe,
einen Blick darauf zu werfen; sie war weit mehr an mir und daran interessiert,
was zum Kuckuck mich mit ihrer ehemaligen Kundin verband.
»Kommen Sie von einem
Inkasso-Büro?« fragte sie energisch.
»Nichts dergleichen«, sagte
ich.
»Zur Polizei gehören Sie offensichtlich
nicht«, sagte sie. »Sie stehen bereits eine volle Minute hier vor mir, ohne mit
irgendeiner Dienstmarke unter meiner Nase herumzufuchteln. Privatdetektiv?«
»Wer könnte Sie wohl täuschen?«
Ich lächelte versonnen. »Klar, ich bin Privatdetektiv. Die Sache ist mit
keinerlei Unannehmlichkeiten verbunden; es handelt sich lediglich um eine
Routineermittlung.«
»Behaupten Sie!« Sie blickte
auf die Quittung hinab und betrachtete sie einen Augenblick lang. »Was wollen
Sie wissen?«
»Alles, was Sie mir über diese
Mrs. Rankin erzählen können«, sagte ich. »Wie sie aussah, wer bei ihr war, wie
lange sie blieb und wo.«
Die grauen Augen betrachteten
mich zwei weitere Sekunden lang nachdenklich. »Mr. Holman«, sagte sie
vorsichtig, »Sie erwarten doch wohl nicht, all diese Informationen umsonst zu
erhalten?«
»Nein!« Ich blickte flüchtig in
ihr falkenartiges Gesicht und nickte dann. »Sie haben recht, natürlich nicht. Wieviel , würden Sie sagen, sind sie wert?«
»Haben Sie schon gegessen?«
»Nein«, sagte ich wahrheitsgemäß.
»Dann schlage ich ein
Mittagessen vor — einverstanden?«
»Einverstanden«, sagte ich
erleichtert.
Sie nahm ihre Handtasche und
kam um den Schreibtisch herum auf mich zu. »Einen halben Häuserblock die
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