Die Erpresserin
Augen und versuchte, die ganze Situation logisch zu betrachten. Jeder
Mensch weiß, daß es in Südkalifornien pro Quadratkilometer mehr Irre gibt als
irgendwo sonst in den Vereinigten Staaten, überlegte ich, aber trotzdem war die
ganze Situation schlechthin lächerlich!
Die grauhaarige Haushälterin
sprach mit irischem Akzent, war gebaut wie ein professioneller Ringer und war
nicht bereit, sich irgendwelchen Unsinn gefallen zu lassen, auch nicht von mir.
Mr. Rawlings sei nicht da und Mrs. Rawlings für niemand zu sprechen. Ich
überredete sie schließlich, versuchshalber Mrs. Rawlings meinen Namen
mitzuteilen, und sie erklärte sich brummend dazu bereit, schlug mir die Tür vor
der Nase zu und ließ mich, »Galway Bay« summend, für etwa fünf Minuten auf der
Vorveranda warten. Als sich die Tür wieder öffnete, sagte die Haushälterin,
Mrs. Rawlings wolle mich sprechen, und ich könnte im Wohnzimmer warten. Ich folgte
ihrer massigen Gestalt ins Haus, während sie unaufhörlich die unvernünftigen
Leute kommentierte, die das arme kleine Ding zu sehen wünschten, ungeachtet der
schrecklichen Tragödie, die soeben die junge Ehe vergiftet habe.
Baby tauchte schließlich in einem
schwarzen Pullover und dazu passenden Hosen auf. Sie ging so steif, als ob sie
jeder Schritt schmerze. Ihr langes rotes Haar war straff zurückgekämmt und im
Nacken mit einem schwarzen Band zusammengehalten. Sie trug keinerlei Make-up
und sah aus wie ein Schulmädchen.
»Nun, Mrs. Rawlings«, sagte die
Haushälterin besorgt wie eine Glucke, »lassen Sie sich von ihm nicht lange
aufhalten! Er hat kein Recht, Sie an diesem schwärzesten aller Tage zu
belästigen und — «
»Danke, Mrs. Murphy«, sagte
Baby kalt. »Das ist alles.«
»Ich bleibe hier, wenn Sie
wollen, Darling«, beharrte die Haushälterin. »Und wenn Sie sagen, es sei Zeit
für ihn, zu gehen, werde ich dafür sorgen, daß das auch geschieht!«
»Hauen Sie ab!« sagte Baby zu
ihr in ihrer klaren kindlichen Sopranstimme.
Die Haushälterin schwankte aus
dem Zimmer, und Baby blickte mich mit trotzig geschürzten Lippen an. »Sie macht
mich glatt wahnsinnig«, sagte sie verbittert. »Clay hat sie angestellt, um mir
die Reporter und solche Leute vom Hals zu halten, aber wenn sie auf diese
>Mutter- Machree <-Tour weitermacht, werde ich
mit der Axt auf sie losgehen.«
Sie ging steif und langsam zur
Couch und ließ sich darauf nieder, als wäre sie eine Rekonvaleszentin. Ich setzte
mich ihr gegenüber auf einen Stuhl und fragte nach Clay.
»Der Lieutenant wollte ihn in
der Polizeizentrale sprechen«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wann er
zurückkommt.« Sie faltete die Hände im Schoß und sah mich unter den
halbgeschlossenen Lidern mit einem Blick heftigen Vorwurfs an. »Sie haben es
ihm gesagt, Rick, nicht wahr?«
»Was?«
»Das von dem Brief. Als er gestern nacht heimkam, sagte er, Sie hätten ihn ihm
gegenüber erwähnt, und daß ich es gewesen sei, die Ihnen davon erzählt hat.«
»Es tut mir leid, aber nachdem
seine Tochter ermordet worden ist— «
»Er hat mich geschlagen«, sagte
sie mit erstarrter Stimme. »Er warf mich aufs Bett, stemmte sein Knie in meinen
Nacken und benutzte einen Ledergürtel. Er hörte nicht eher auf, als bis ich
bewußtlos war; dann steckte er mich unter die Dusche und stellte das kalte
Wasser an. Er war wie ein Irrer, schrie und tobte die ganze Zeit über.«
»Warum?«
Sie schüttelte kaum merklich
den Kopf. »Ich weiß es nicht und es ist mir auch egal. Wenn sich das alles hier
beruhigt hat, verlasse ich ihn.«
»Ich habe gestern
abend mit Maxie Snell gesprochen«, sagte ich.
»Er erzählte mir, Clay sei vor drei Monaten einmal einfach verschwunden — sei
einen ganzen Monat weg gewesen.«
»Ja, das stimmt.«
»Haben Sie eine Ahnung, wohin
er damals ging?«
»Nicht die geringste. Er
verschwand einfach. Er sagte, er müsse eine Weile allein sein, und damit hatte
sich das Ganze. Ich könnte ja eine Reise nach New York machen, sagte er, denn
er würde ohnehin ein paar Wochen weg sein. Als er zurückkehrte, erwähnte er mit
keinem Wort, wo er gewesen war oder was er getan hatte, und ich hatte nicht den
Mut, ihn zu fragen.«
»Was ist aus diesem bewußten
Brief geworden?«
»Clay hat ihn vernichtet.« Ein
beinahe schadenfroher Ausdruck kam in ihre Augen. »Aber unter der Morgenpost
war noch einer!«
»Was stand darin?«
»Daß Angie nun erledigt sei,
und nun sei er demnächst an der Reihe, aber er könne sich darauf verlassen,
Weitere Kostenlose Bücher