Die Erpresserin
mich anrief. Sie behauptete,
keiner von ihnen hätte wegen des Lärms, der aus dem Whitewayschen Haus gekommen wäre, in der Nacht schlafen können. Es habe wie eine Orgie
geklungen, sagte sie, und mir rutschte beinahe heraus, sie müsse es ja wissen!
Musik habe die ganze Nacht geplärrt, Leute hätten geschrien und gekreischt — zu
einem gewissen Zeitpunkt sei sie überzeugt gewesen, daß jemand ermordet werden
sollte, sagte sie.«
Mrs. Bush leerte zerstreut mit
einem einzigen Schluck ihr neu angeliefertes Glas. »Nun, solche Dinge sind das
Ende einer Grundstücksmaklerin wie mir, da die Sommervermietungen achtzig
Prozent unseres Geschäfts ausmachen. Also fuhr ich hinaus.« Sie zog eine
scharfe Grimasse. »Ich gedachte, auf nette, taktvolle Art vorzugehen, ja, ich
probte meine Rede auf dem Weg dorthin. Aber es nützte mir ebensoviel, wie wenn
ich eine abgesägte Flinte mitgenommen hätte.«
»Was geschah?«
»Vor dem Haus standen zwei
wirklich schicke Sportwagen und ein alter Karren, der aussah, als stamme er aus
der Tobacco Road und habe die falsche Richtung eingeschlagen«, sagte sie
langsam. »Ein riesiger junger Mann öffnete mir die Tür, nachdem ich geklingelt
hatte, und fragte, was ich zum Teufel wolle — buchstäblich! Ich bat, Mrs.
Rankin sprechen zu dürfen, und er erklärte mir, sie sei beschäftigt. Also sagte
ich, ich würde warten.« Ihre Hand zitterte leicht, als sie erneut ihr Glas an
die Lippen hob. »Er sagte, ich könne warten, bis in der Hölle Eiszapfen
wüchsen, und erklärte mir — in graphischen Details —, was ich tun könne,
solange ich wartete.«
Sie trank ihr Glas leer, und
als sie es niederstellte, trat in ihre Augen ein verschwommener Blick. »Na, ich
habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so gefürchtet!« Sie sprach langsam,
jedes Wort sehr sorgfältig artikulierend, aber trotzdem klang alles
verschwommen. »Ich rannte einfach zu meinem Wagen zurück und fuhr weg, so
schnell es irgend ging. Ich hatte das Empfinden, noch nie von so viel nackter
körperlicher Gewalttätigkeit getroffen worden zu sein wie an diesem Tag. Ich
mochte hinterher überhaupt nicht mehr daran denken. Mrs. Tucker rief noch zwei
weitere Male an, um sich zu beschweren, aber ich sagte ihr, ich hätte alles
getan, was ich tun könne, und schlug ihr vor, es selbst einmal zu versuchen.
Vielleicht hat sie das getan. Ich habe jedenfalls hinterher nichts mehr von ihr
gehört.«
Ihr Kopf schwankte sachte,
während sie versuchte, mir ins Gesicht zu sehen.
»Eines kann ich Ihnen sagen,
Mr. Holman«, fuhr sie fort, und jedes ihrer Worte ging ins andere über, »in
meinem ganzen Leben war ich noch nie so froh gewesen wie zwei Wochen später,
als Mrs. Rankin vorbeikam, mir die Schlüssel abgab und sagte, sie könnten den
Rest der vereinbarten Zeit nun doch nicht dableiben.« Sie kicherte plötzlich.
»Ich war so froh, daß ich ihr Rabatt gegeben hätte, aber sie fragte nicht
danach.«
»In welchem Zustand war das
Haus, nachdem die beiden ausgezogen waren?«
»Fürchterlich! Ich mußte vier
Putzfrauen anstellen, die drei Tage lang alle Hände voll zu tun hatten, um es
wieder in Ordnung zu bringen. Aber vierhundert Dollar kostete das Ganze nicht,
und das war die Summe, die sie für eventuell angerichteten Schaden hinterlegt
hatte.«
»Vielen Dank«, sagte ich. »Sie
sind mir eine große Hilfe gewesen.«
Sie erhob sich mühsam und blieb
einen Augenblick lang stehen, während sie, um sich aufrecht zu halten, mit
beiden Händen die Tischkante umklammerte.
»Entschuldigung«, sagte sie mit
gewichtiger Stimme, »ich muß mal auf >kleine Mädchen<.«
Ich sah zu, wie sie durch den
Raum schwankte, und während ich mir noch überlegte, was ich tun sollte,
erschien eine blonde Kellnerin und ergriff ihren Arm. Etwa zwei Minuten später
kehrte der Kellner zu meinem Tisch zurück.
»Wollen Sie nach wie vor dieses
Steak?« fragte er.
»Klar«, sagte ich. »Aber ich
glaube, Sie warten besser, bis die Lady zurück ist.«
»Sie wird nicht zurückkommen«, sagte
er in geheimnistuerischem Ton. »Heute ist doch Donnerstag, nicht wahr?«
»Ja«, bestätigte ich.
»Mrs. Bush ist eine wirklich
nette Lady«, vertraute er mir mit leiser Stimme an, »aber Donnerstag ist ihr
Tag — verstehen Sie, was ich damit meine?«
»Ich glaube, ja«, sagte ich,
»aber Sie können es mir trotzdem erklären.«
»Es passiert mit absoluter
Pünktlichkeit jeden Donnerstag«, murmelte er. »Sie fängt mit diesen doppelten
Gibsons an, bestellt ein
Weitere Kostenlose Bücher