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Die erregte Republik

Die erregte Republik

Titel: Die erregte Republik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thymian Bussemer
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Öffentlichkeit leistet zur demokratischen Legitimation des staatlichen Handelns |230| ihren Beitrag, indem sie politisch entscheidungsrelevante Gegenstände auswählt, zu Problemstellungen verarbeitet und zusammen mit mehr oder weniger informierten und begründeten Stellungnahmen zu konkurrierenden öffentlichen Meinungen bündelt. Auf diese Weise entfaltet die öffentliche Kommunikation für die Meinungs- und Willensbildung der Bürger eine stimulierende und zugleich orientierende Kraft, während sie das politische System gleichzeitig zu Transparenz und Anpassung nötigt.« 201
    Für die Verwirklichung dieses Projekts einer von Machtzwängen und Taktik befreiten und damit an gegenseitiger Verständigung orientierten Öffentlichkeit werden nicht nur Bürger gebraucht, die eine Meinung haben und diese auch kundtun, und nicht nur Politiker, die die Kunst des Zuhörens wieder lernen, sondern auch die Medien, weil nur sie die nötige Reichweite haben, um alle Mitglieder der Gesellschaft in einen Austausch über den Kurs des Gemeinwesens einzubinden, der das gemeinsame Verständnis über die grundlegenden Fragen »Wo stehen wir?« und »Wo wollen wir hin?« herstellt.
    Denn eine Entwicklung zurück zur lokalen
townhall -Demo kratie
, in der die Anwesenden die gemeinschaftlichen Belange in freier Diskussion regeln, wird es nicht geben. Die
great community
ist längst zur
great society
geworden und hat eine Größe und Komplexität angenommen, in der gesellschaftliche Kommunikation medienvermittelt sein muss, wenn sie die Gesellschaft als Ganzes erreichen und die Organisation deren inneren Zusammenhalts sicherstellen will. Die kommunikative Organisationsleitung des Journalismus wird vor diesem Hintergrund heute dringender gebraucht, denn je. Man denke nur an die 250   000 Dokumente der US-Diplomatie, die Wikileaks im Herbst 2010 online stellte. Ohne die kommentierende und einordnende Aufbereitung durch Presseorgane wie den britischen |231|
Guardian
oder den
Spiegel
wären diese Aufzeichnungen zwar öffentlich zugänglich gewesen, doch nur wenige Menschen hätten aus ihnen irgendeine Form von Sinn generieren können. Gerade dieses Beispiel zeigt, dass politische Öffentlichkeit dann gelingt, wenn die hochgradig vermachteten und zentralisierten Massenmedien durch andere Kommunikationsforen, wie sie sich im Internet und anderswo bilden, flankiert und ergänzt werden. Diese sollen den professionellen Journalismus nicht verdrängen, sondern ergänzen. Zu diesen neuen Formen zivilgesellschaftlicher Kommunikation gehört der Bürgerjournalismus genauso wie die gerade entstehenden hyperlokalen Medien, aber auch Foren des bürgerschaftlichen Austauschs, die mit niedrigen Zugangsbarrieren ausgestattet und auf Verständigung im lokalen Nahraum ausgerichtet sind. Diese ergänzenden Instrumente der Öffentlichkeit können dazu beitragen, aus reinen Thematisierungen wieder ein Gespräch zu machen. Und sie können dabei helfen, das Gefühl der Verantwortung für die Qualität des gesellschaftlichen Gesprächs in den massenmedial vermittelten Journalismus selbst hineinzutragen.
    Journalismus als Hoffnungsträger
    Die Medien werden auch in Zukunft der wichtigste Kristallisationskern politischer Öffentlichkeit sein. Betrachtet man die materielle Ausstattung des deutschen Journalismus, verfügt er – trotz zweier schwerer Medienkrisen in einem Jahrzehnt – noch immer über eine hervorragende Ausstattung, um diese Aufgabe wahrzunehmen. Deutschland hat das teuerste öffentliche Rundfunksystem der Welt, das vom Gebührenzahler jährlich mit rund sieben Milliarden Euro finanziert wird, es |232| gibt sieben angesehene überregionale Zeitungen, die noch dazu in den fünf Metropolen Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main, Düsseldorf und München gemacht werden und das dortige Leben abbilden. Hinzu kommt eine Palette von Regionalzeitungen mit zum Teil beachtlichem politischem Analysevermögen. Die Gesamtauflage der Tagespresse in Deutschland ist zwar seit Jahren rückläufig, beträgt im Jahr 2011 trotz der Einkreisung durch Fernsehen und Internet aber nach wie vor über 19 Millionen Exemplare, die jeden Tag fast 50 Millionen Leser erreichen. Die sieben überregionalen Qualitätstageszeitungen kommen tagtäglich auf immerhin 1,5 Millionen Exemplare und erreichen zusammen mit den Hamburger Wochenmagazinen fast zehn Prozent der Bevölkerung. Das ist vielleicht nicht allzu viel, ganz wenig ist es auch nicht.
    Der deutsche Journalismus hat sich nach

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