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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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entgegengesehen. Nun betrachtete sie Charlies Ankunft als Himmelsgeschenk. »Freut mich, dass Ihnen das Haus gefällt, Mr. Waterston.«
    Er hatte gerade die Bilder in seinem Zimmer studiert. Nun wandte er sich zu ihr. »Hier muss sich einfach jeder wohl fühlen.«
    Wehmütig seufzte sie. »Darüber dachte mein Sohn ganz anders. Er hasste diese Stadt und meine alten Sachen. Für ihn zählten nur die modernen Zeiten und der Fortschritt. Er war Pilot in Vietnam. Nach seiner Heimkehr blieb er bei der Navy, als Testpilot für die neuesten Hightech-Maschinen. Er flog für sein Leben gern.« Bei diesen Worten erschien ein trauriger Ausdruck in ihren Augen, und Charlie ahnte, wie schrecklich dieses Thema für sie war. Trotzdem fuhr sie fort. Die Art, wie sie sprach und ihn ansah, verriet ihm, dass es Gladys Palmer sicher nicht an innerer Kraft mangelte. »Auch seine Frau konnte fliegen. Kurz nach der Geburt ihrer Tochter kauften sie eine kleine Maschine.« Jetzt glänzten Tränen in den blauen Augen. Aber ihre Stimme brach nicht. »Das hielt ich für keine gute Idee. Natürlich darf man den Kindern nichts mehr vorschreiben, sobald sie erwachsen werden. Außerdem hätten sie ohnehin nicht auf mich gehört. Vor vierzehn Jahren stürzte das Flugzeug bei Deerfield ab, als sie mich besuchen wollten. Alle drei waren sofort tot.«
    Während Charlie zuhörte, verengte sich seine Kehle. Instinktiv berührte er Mrs. Palmers Arm. Ein schlimmeres Schicksal gab es nicht. Damit ließ sich nicht einmal Caroles Untreue vergleichen. Diese Frau hatte viel mehr durchgemacht. »Tut mir so Leid«, flüsterte er, seine Hand noch auf ihrem Arm. Das merkten sie gar nicht, als sie sich in die Augen schauten. Plötzlich gewann er den Eindruck, er würde Gladys Palmer schon seit Ewigkeiten kennen.
    »Mir auch. Er war ein wundervoller Mann. Mit sechsunddreißig starb er, und seine kleine Tochter war erst fünf… Ein furchtbarer Verlust.« Schmerzerfüllt wischte sie über ihre Lider, und er wünschte, er könnte sie umarmen. Dann sah sie zu ihm auf, und was er in ihren Augen las, nahm ihm den Atem. So viel Aufrichtigkeit, so viel Mut - und ein unverhohlenes Interesse an seiner Person, trotz allem, was sie erlitten hatte. »Vielleicht lernen wir etwas aus unseren Tragödien. Was es ist, weiß ich nicht genau, und es dauerte sehr lange, bis ich das erkannte. Erst nach zehn Jahren konnte ich über all das reden. Mein Mann schaffte es niemals. Schon in seiner Jugend hatte er ein schwaches Herz. Nach diesem grausamen Ereignis ging es gesundheitlich rapide mit ihm bergab, und drei Jahre später starb er.«
    In der Tat - sie hatte viel mehr verloren als er, und er glaubte, die Narben auf ihrer Seele zu sehen. Trotzdem stand sie aufrecht da, die Schultern gestrafft, nicht bereit, sich von ihrem harten Schicksal besiegen zu lassen. Unwillkürlich überlegte er, ob sich ihre Wege aus einem ganz bestimmten Grund gekreuzt hatten. Es war so seltsam, dass er ausgerechnet hier gelandet war. »Haben Sie - andere Verwandte?«, fragte er. Eigentlich hatte er sich erkundigen wollen, ob sie andere Kinder hatte. Doch das wäre taktlos gewesen. Kein Kind vermochte einen verlorenen Sohn zu ersetzen.
    »Nein.« Sonderbar - sie wirkte weder verbittert noch traurig oder deprimiert. »Jetzt bin ich ganz allein. Schon seit elf Jahren. Deshalb nehme ich im Sommer Gäste auf. Sonst würde ich mich sehr einsam fühlen.« Dass sie sich in ihrem Haus verkroch, um ihre Toten zu betrauern, konnte er sich auch gar nicht vorstellen. Dafür wirkte sie viel zu lebhaft und energisch. »Außerdem sollen auch andere was von diesem wundervollen Haus haben«, fuhr sie fort. »Mein Sohn James, Jimmy genannt, und seine Frau Kathleen interessierten sich nicht dafür.«
    Und jetzt gab es niemanden, dem sie ihre Schätze vererben konnte. In die gleiche Situation würde auch Charlie geraten, wenn er nicht mehr heiratete und keine Kinder bekam. Würde er nach der Trennung von Carole jemals mit einer anderen Frau leben können?
    »Haben Sie eine Familie, Mr. Waterston?«, fragte Gladys. Ein Mann in seinem Alter müsste längst verheiratet und Vater geworden sein.
    »Nein«, erwiderte er leise, »ich habe niemanden. So wie Sie. Meine Eltern starben vor langer Zeit, und ich habe keine Kinder.«
    »Waren Sie nie verheiratet?«, fragte sie erstaunt. Wie hatte ein so attraktiver, gefühlvoller Mann einer dauerhaften Beziehung ausweichen können?
    »Doch. Aber ich lebe von meiner Frau getrennt. Demnächst

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