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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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in den Umhang. Soeben waren die letzten Gäste gegangen. »Sie sind viel zu jung, um allein zu bleiben, wo Sie doch mindestens die Hälfte Ihres Lebens noch vor sich haben.« Lächelnd bot er ihr seinen Arm, und sie widersprach ihm nicht. Aber ihr Entschluss stand fest.
    Um das Thema zu wechseln, erkundigte sie sich nach der Besprechung, die er am nächsten Tag abhalten würde, und den von Shawnee und Miami verursachten Unruhen. Bereitwillig beantwortete er ihre intelligenten Fragen. Vor Rebeccas Tür bedauerte er fast, dass er sich von Sarah verabschieden musste. Er wünschte, seine Töchter würden nur halb so viel Begeisterung für seine Tätigkeit zeigen. Leider waren sie vollauf mit ihren Familien und dem Bostoner Gesellschaftsleben beschäftigt, während Sarah die aufstrebende neue Welt im Landesinneren viel interessanter fand.
    Sie dankte ihm für die Party und das köstliche Essen - geschmortes Wildfleisch, von seinem Nonotuck-Koch mit Gemüsen zubereitet, die auf den nahen Farmen gediehen. Am nächsten Tag würde sie ihn wieder besuchen, kündigte sie an. Sie wollte ausreiten und die Umgebung erforschen, falls er einen Begleiter finden würde. Bloß nicht Lieutenant Parker, bat sie. Belustigt versprach er, ihren Wunsch zu erfüllen, und ermahnte sie zur Vorsicht.
    Als sie die kleine Holzhütte betrat, die Rebecca so großzügig mit ihr teilte, schliefen die Gastgeberin und die Kinder schon. Das Kaminfeuer brannte nicht mehr, und es war ziemlich kühl in beiden Räumen. Da Sarah sich hellwach fühlte, wollte sie noch nicht zu Bett gehen. Und so trat sie vor die Haustür, um über die Ereignisse des Tages nachzudenken. Zweifellos war die Ankunft der Indianer, die so beängstigend wirkten, ein besonders eindrucksvolles Erlebnis gewesen. Schaudernd fragte sie sich, wie ein Kriegertrupp aussehen mochte, und sie hoffte, sie würde niemals einem begegnen. So faszinierend sie diesen Teil der Welt auch fand, es drängte sie nicht, in den Westen zu ziehen und sich den Pionieren anzuschließen. Dieses Leben wäre ihr zu gefährlich. Am liebsten wollte sie in Deerfield bleiben.
    In Gedanken versunken, entfernte sie sich ein wenig vom Haus. Ringsum herrschte tiefe Stille, aber sie wusste, dass ihr nichts zustoßen konnte. Die meisten Bewohner der Garnison schliefen bereits, und die Wachtposten hüteten das Tor. Welch ein wundervolles Gefühl, den knirschenden Schnee unter den Füßen zu spüren, zu den leuchtend hellen Sternen aufzublicken … Das erinnerte sie an Singing Winds Erklärung, jeder Mensch sei eins mit dem Universum. Als sie wieder hinunterschaute, zuckte sie verstört zusammen. Nur wenige Schritte entfernt stand ein Mann, der sie beobachtete, die Stirn gerunzelt, in angespannter Haltung. Sie erkannte den Anführer der Irokesendelegation, die am Nachmittag in die Garnison geritten war. Nun erschreckte er sie zum zweiten Mal. Schweigend starrte er sie an, und sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Würde er sie attackieren? Als sie unverhohlenen Zorn in seinen Augen las, schien ihr das durchaus möglich.
    Ein paar beklemmende Sekunden lang rührten sich beide nicht. Sollte sie in Rebeccas Hütte flüchten? Doch er würde sie mühelos einholen, und sie wollte die junge Frau und die Kinder nicht in Gefahr bringen. Wenn sie schrie, würde er sie vielleicht töten, ehe jemand ihrem Hilferuf folgte. Also konnte sie nur abwarten und ihre Angst bekämpfen, was ihr sehr schwer fiel. Sein pechschwarzes Haar flatterte im Wind, mit einer langen Adlerfeder geschmückt. Und obwohl ihr sein Gesicht mit den harten Zügen eines Habichts Furcht einflößte, erkannte sie seine Schönheit.
    Und dann überraschte er sie mit einer leisen Frage in perfektem, leicht akzentuiertem Englisch. »Was machen Sie in der Garnison?«
    Mühsam zwang sie sich zur Ruhe. »Ich besuche den Colonel«, antwortete sie und hoffte, wenn sie den Kommandanten des Forts erwähnte, würde der Indianer vielleicht zögern, sie anzugreifen.
    »Was haben Sie in dieser Gegend zu suchen?« Offenbar erzürnte ihn die Anwesenheit eines weiteren Eindringlings, der sich im Indianergebiet aufhielt. Jetzt stellte sie fest, dass sein Akzent fast französisch klang. Möglicherweise hatte er vor mehreren Jahren von den französischen Soldaten Englisch gelernt.
    »Ich kam aus England hierher, um ein neues Leben zu beginnen«, erklärte sie tapfer und fürchtete, das würde er nicht verstehen. Jedenfalls war sie nicht in die Neue Welt gefahren, um sich von einem

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