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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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Sarahs Nähe zügelten, begann sie zu zittern und ärgerte sich über ihre Furcht. Aber sie wirkten so groß und stark, so atemberaubend. Lachend unterhielten sie sich und zeigten einen Kameradschaftsgeist, der auch die Weißen in ihrer Mitte einbezog. Während die Pferde noch nervös tänzelten, stiegen die Männer ab. Nun wurden sie von einigen Soldaten beobachtet. Vielleicht bildeten sie eine Delegation, die zu Verhandlungen ins Fort gekommen war.
    Sarah stand unbemerkt etwas abseits und erriet, wer der Anführer der Gruppe sein musste. Fasziniert starrte sie ihn an. Langes, glänzendes dunkles Haar wehte hinter ihm her, als er über den Platz ging, in einem kostbaren und zugleich praktischen Lederanzug und hohen Stiefeln. An seinem Rücken hingen eine lange Muskete, ein Bogen und ein Köcher voller Pfeile. Beinahe sah er europäisch aus. Aber er besaß die würdevolle Haltung und die scharf geschnittenen Züge der Indianer, die ihn begleiteten, und er sprach in einem indianischen Dialekt. Den Antworten seiner Männer entnahm Sarah, wie sehr sie ihn respektierten. Majestätisch und hoch aufgerichtet, war er der geborene Anführer, vielleicht ein Häuptling oder der Sohn eines Häuptlings. Sie schätzte sein Alter auf Ende dreißig.
    Als er sich abrupt in ihre Richtung wandte und ihrem Blick begegnete, zuckte sie unwillkürlich zusammen. Sie hatte nicht erwartet, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Viel lieber wollte sie ihn unauffällig betrachten wie ein exquisites Gemälde. Wenn sie beobachtete, wie er sich bewegte und sprach, glaubte sie, Musik zu hören. Nie zuvor hatte sie einen so anmutigen, kraftvollen Mann gesehen. Aber er erschreckte sie auch, und während er sie musterte, blieb sie wie erstarrt stehen - unfähig, sich zu bewegen. Doch so bedrohlich er auch wirkte, sie hatte nicht das Gefühl, er könnte ihr wehtun. Irgendwie glich er dem Fürsten eines Märchenreichs, und er repräsentierte eine Welt, von der sie nur träumen konnte. Nach einer Weile kehrte er ihr den Rücken und betrat ein Büro.
    Zu ihrem Entsetzen bebte sie am ganzen Körper. Die Beine trugen sie nicht mehr, und sie ließ sich auf den Stufen des Hauses nieder, in dessen Nähe sie gestanden hatte. Atemlos verfolgte sie, wie die Begleiter des faszinierenden Mannes die Packpferde abluden. Welchem Stamm gehörten sie an? Und warum waren sie in die Garnison gestürmt, als hätten sie vor allen Dämonen der Hölle fliehen müssen?
    Erst nach zehn Minuten hörte sie zu zittern auf, und ihre Herzschläge beruhigten sich. Auf dem Weg zum Büro des Colonels fragte sie einen Soldaten, welche Indianer soeben eingetroffen seien. Er hatte die Ankunft der Truppe nicht verfolgt, und Sarah beschrieb sie.
    »Irokesen«, erwiderte er unbeeindruckt, da er diese Männer schon oft genug gesehen hatte. »Genau genommen Seneca - das ist ein Stamm des Irokesenvolkes. Da gibt's sechs verschiedene - die Onondaga, die Cayuga, die Oneida, die Seneca, die Mohawk, und die Letzten, die in den Völkerbund aufgenommen wurden, waren die Tuscarora. Die vereinten sich erst vor siebzig Jahren mit der Irokesenkonföderation. Ursprünglich kamen sie aus North Carolina. Die Männer, die Sie gesehen haben, sind Seneca, Madam - bis auf den Kleinen, der ist ein Cayuga.«
    »Ich fand den Anführer sehr imposant«, gestand sie, immer noch überwältigt. Sie glaubte, sie hätte allen Schrecken der Neuen Welt in einem einzigen Mann verkörpert gesehen. Trotzdem empfand sie keine Angst. In der Garnison würde niemand versuchen, über sie herzufallen. Außerdem schien keiner der Soldaten den Anführer der Irokesen zu fürchten, so gefährlich er auch aussah.
    »Wer hat die Indianer ins Fort geführt?«, fragte der Soldat, und Sarah vermochte nur zu erklären, was ihr an dem Mann aufgefallen war. »Keine Ahnung, wer das ist… Vielleicht der Sohn eines Häuptlings. Er könnte einer von den Mohawk sein - die sehen besonders erschreckend aus, vor allem in voller Kriegsbemalung.« Von der hatte sie zu ihrer Erleichterung nichts bemerkt. Sonst wäre sie womöglich trotz aller guten Vorsätze in Ohnmacht gefallen.
    Sie dankte dem Soldaten für die Informationen, dann betrat sie das Büro des Colonels. Inzwischen war er von seinem Morgenritt zurückgekehrt, zufrieden mit der ersten Inspektion nach seiner Abwesenheit. Auf seinem Terrain war alles in Ordnung. Nun freute er sich sichtlich, Sarah wiederzusehen und zu hören, sie sei nach einer angenehmen Reise wohlbehalten in Deerfield

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