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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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der Dämmerung und im Widerschein des Schnees anders aus. Ringsum erklangen seltsame, unheimliche Geräusche, und der Junge fürchtete, jeden Moment würden kriegerische Indianer auftauchen, obwohl er in den bisherigen drei Monaten seines Militärdienstes keinen einzigen erblickt hatte. »Keine Bange, gleich werden wir unseren Weg finden«, beteuerte Sarah und bot ihm einen Schluck aus ihrer Wasserflasche an. Sogar im Dunkel merkte sie, wie blass er war. Auch ihr missfiel die Situation, aber sie hatte ihre Nerven besser unter Kontrolle.
    Sie folgten einem anderen Pfad und gerieten erneut auf dieselbe Lichtung. Schließlich glaubte Sarah beinahe, sie würden sich in einem gespenstischen Karussell drehen, dem sie nicht entrinnen konnten. Nun gab es nur mehr einen einzigen Weg, den sie noch nicht ausprobiert hatten - und dem sie misstraute, weil er nach Norden statt südwärts führte.
    Trotzdem wollte sie ihr Glück versuchen. »Wenn wir die Garnison auch diesmal nicht finden, reiten wir einfach weiter, bis wir eins der Forts am Fluss oder eine Siedlung erreichen. Dort können wir übernachten.«
    Diese Idee gefiel dem Jungen ganz und gar nicht. Doch er verzichtete auf einen Widerspruch, weil er Mrs. Fergusons Eigensinn mittlerweile kannte. Nur weil sie sich eingebildet hatte, sie müsste den Wasserfall sehen, und dann endlos lang auf der Lichtung da drüben geblieben war, befanden sie sich jetzt in dieser üblen Lage. Aber wenn er sie auch für verrückt hielt, er wusste keinen besseren Vorschlag zu machen, und so lenkte er sein Pferd widerwillig hinter ihr her.
    Diesmal kehrten sie nicht zur Lichtung zurück. Aber wie ihr die Sterne verrieten, folgten sie der falschen Richtung. Wenigstens bewegten sie sich nicht mehr im Kreis, und am Flussufer wartete die Zivilisation.
    Zwei Stunden nach Einbruch der Dunkelheit sahen sie noch immer keine Lichter, und Sarah fragte sich, ob der Colonel einen Suchtrupp losschicken würde. Es war ihr furchtbar peinlich, ihm solche Unannehmlichkeiten zu bereiten.
    Während sie weiterritten, strauchelten die müden Pferde immer häufiger. Plötzlich erklangen Hufschläge in der Ferne. Will wandte sich entsetzt zu Sarah - drauf und dran, blindlings davonzugaloppieren.
    »Rühr dich nicht!«, befahl sie, packte mit einer Hand seine Zügel und zerrte sein Pferd neben ihrem eigenen in dichteres Gebüsch. Inständig hoffte sie, die Tiere würden nicht schnauben. Aber vielleicht waren die unbekannten Reiter weit genug entfernt und würde das Versteck nicht finden. Nun konnte sie nur noch beten. Sie fürchtete sich genauso wie Will. Doch das durfte sie nicht zeigen. Nur durch ihre Schuld hatten sie sich verirrt, das wusste sie, und sie bereute, dass sie ihn in diese schlimme Situation gebracht hatte.
    Viel zu schnell näherten sich die Hufschläge. Sarahs und Wills Pferde tänzelten nervös umher, gaben aber keinen Laut von sich. Und dann sah sie die Reiter - ein Dutzend Indianer galoppierte durch den Wald, als wäre die Nacht taghell. Offenbar kannten sie den Weg in- und auswendig. Sobald sie vorbeigesprengt waren, stieß einer der Männer einen Schrei aus, und alle zügelten ihre Pferde, nur wenige Schritte vom Gebüsch entfernt, in dem sich Sarah und der Junge verbargen. Am liebsten wäre sie mit Will abgestiegen und davongerannt. Doch das wagte sie nicht, denn die Indianer würden sie zweifellos sofort aufspüren. Mahnend legte sie einen Finger an die Lippen, und der Junge nickte ihr zu. Die Indianer ritten langsam zurück, einer hinter dem anderen. Dabei spähten sie nach allen Seiten. Nur mühsam unterdrückte Sarah einen Schreckensschrei und grub ihre Finger in Wills Arm. Am liebsten hätte sie die Lider zusammengekniffen, um nicht beobachten zu müssen, wie sie skalpiert wurde.
    Allerdings musste sie die Augen offen halten, wenn sie den Scout retten wollte. Und so starrte sie den Indianern entgegen, die unaufhaltsam näher kamen. Jetzt sah sie die Schneeschuhe, die an den Sätteln festgebunden waren. Der Anführer bedeutete den anderen anzuhalten, und ritt allein auf das Gebüsch zu. Dicht vor den Zweigen zügelte er sein Pferd, im silbernen Sternenlicht begegnete Sarah seinem Blick und erkannte den Anführer der Irokesen, den sie in der Garnison gesehen hatte, sofort wieder. Diesmal gab es kein Entrinnen. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, hielt sie den Arm des Jungen fest. Die Miene des Mannes war unergründlich. Was würde geschehen? Falls er ihren Tod beschlossen hatte, würde sie

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