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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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Sobald die Scheidung ausgesprochen ist.«
    Am anderen Ende der Leitung entstand ein langes Schweigen. Die Augen geschlossen, biss Carole in ihre Lippen. Es kam ihm so vor, als hätte jemand mit einem Stein in seinen Magen geschlagen - mittlerweile ein vertrautes Gefühl. Nach einer halben Ewigkeit begann er zu sprechen. »Was erwartest du von mir? Soll ich dich anflehen, deine Pläne zu ändern? Rufst du nur an, um mir das mitzuteilen? Genauso gut hättest du mir das schreiben können.«
    »Ich wollte nicht, dass du's von jemand anderem hörst«, schluchzte sie.
    Auch in seinen Augen brannten Tränen, und er wünschte, sie hätte ihn nicht angerufen. »Welche Rolle spielt's denn schon, von wem ich's erfahre? Und warum zum Teufel heiratest du einen Mann, der dein Vater sein könnte? Der wird dich ebenso fallen lassen wie seine drei ersten Frauen.« Nun kämpfte er um sein Leben. Was sie beabsichtigte, durfte er ihr nicht gestatten.
    »Zwei haben
hn
verlassen«, korrigierte sie ihn. »Nur der dritten ist er weggelaufen.«
    »Fabelhaft!«, spottete Charlie bitter. »Und jetzt willst du die Nummer vier werden. Charmant… Warum begnügst du dich nicht mit einer Affäre?«
    »Und danach?« Allmählich geriet sie in Wut. Wieso benahm er sich so grauenhaft? »Glaubst du, ich würde dann zu dir zurückkehren - und wir machen da weiter, wo wir aufgehört haben? Da gibt's nichts, woran wir anknüpfen könnten. Das ist keine Ehe gewesen - wir hatten nur dieselbe Adresse. Weißt du eigentlich, wie einsam ich die ganze Zeit war ?«
    »Wie sollte ich's denn merken?«, stieß er hervor und fühlte sich elend. »Hättest du doch verdammt noch mal was gesagt, statt mit einem anderen zu bumsen!«
    »Bevor's vorbei war, wusste ich's selber nicht. Wir sind immer nur voreinander geflohen. Und schließlich empfand ich gar nichts mehr. Ich war lediglich ein Roboter, der in seiner Arbeit aufging - und ganz selten, wenn wir beide zwischendurch Zeit fanden, deine Frau.«
    »Bist du mit ihm glücklicher?« Diese Frage stellte er nicht, um sich zu quälen. Er
usste
es herausfinden.
    »Ja«, gab sie zu. »Es ist völlig anders. Jeden Abend essen wir zusammen. Wenn wir getrennt sind, ruft er mich drei- bis viermal am Tag an. Er will stets hören, was ich gerade mache. Und wenn ich verreisen muss, fliegt er nach Paris oder Brüssel oder Rom, um die Nacht bei mir zu verbringen.«
    »Das ist unfair«, erwiderte Charlie vorwurfsvoll. »Da ihr für dieselbe Anwaltskanzlei arbeitet, seid ihr natürlich öfter zusammen. Während ich nicht bloß nach Paris oder Rom flog, sondern nach Hongkong und Taipeh.«
    Doch es steckte noch mehr dahinter. Irgendetwas hatten sie zwischen sich sterben lassen, und es war ihnen einfach entglitten - unbemerkt. »Es lag nicht nur an den Reisen, Charlie. Das weißt du. Wir hörten auf, miteinander zu reden, nahmen uns keine Zeit mehr für die Liebe, ich stürzte mich in die Arbeit - und du hast dauernd am Jetlag gelitten.«
    Der Hinweis auf den mangelnden Sex machte alles noch schlimmer. »Und dein 61-jähriger liebt dich jede Nacht? Hat er ein Implantat?«
    »Bitte, Charlie, um Himmels willen …«
    Erbost setzte er sich im Bett auf. »Warum hast du mir nie erklärt, wie unglücklich du warst. Du bist einfach losgezogen und hast dir einen anderen gesucht, um mir mitzuteilen, dass ich gefeuert bin. Wieso wolltest du mir keine Chance geben, alles in Ordnung zu bringen? Und jetzt schwelgst du in der romantischen Scheiße, mit der er dich verwöhnt, und sagst mir, ihr werdet
eiraten.
Was meinst du, wie lange es dauern wird? Mach dir nichts vor, Carole. Du bist neununddreißig, er ist einundsechzig. Bestenfalls gebe ich euch ein Jahr.«
    »Vielen Dank für die netten Glückwünsche!«, fauchte sie. »Oh, ich wusste ja, du würdest es nicht verkraften. Simon dachte, es wäre meine Pflicht, dich anzurufen. Und ich erwiderte, du würdest dich wie ein gottverdammter Rüpel aufführen. Offenbar hatte ich Recht.« Auch sie benahm sich jetzt niederträchtig, das war ihr völlig klar. Aber sie hasste den schmerzlichen Klang seiner Stimme, seine seelischen Wunden, die er mit größtem Selbstmitleid pflegte. Würde er sich niemals erholen? Musste sie diese Schuldgefühle bis an ihr Lebensende mit sich herumschleppen? Nicht einmal dieser Gedanke weckte den Wunsch, zu ihm zurückzukehren.
    »Warum hast du Simon nicht gebeten, dieses Telefonat zu erledigen?«, fragte er bissig. »Das wäre viel einfacher gewesen als dieses alberne

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