Die Erscheinung
wenn kriegerische Indianer zu Ihrem Haus kommen? Opfern Sie dann Ihr Leben für die beiden Jungen da draußen, so wie Sie es im Winter für den jungen Scout hingeben wollten?«
»Ich bedrohe die Indianer nicht. Und Sie sagten selbst, in dieser Gegend würden friedliche Stämme leben. Sicher werden sie merken, dass ich ihnen nichts Böses will.«
»Ja, die Nonotuck und die Wampanoag - aber was wird geschehen, wenn die Shawnee aus dem Westen hierher ziehen, oder die Huronen oder sogar die Mohawk aus dem Norden?«
»Dann werde ich beten oder zu meinem Schöpfer heimkehren«, entgegnete sie lächelnd. Sie machte sich keine Sorgen. In ihrem neuen Heim fühlte sie sich sicher, und die anderen Siedler hatten glaubhaft behauptet, hier würden nur selten Probleme auftauchen. Falls sich kriegerische Indianer in der Nachbarschaft blicken ließen, würde man ihr sofort Bescheid geben.
»Können Sie schießen?«, fragte François, und sie freute sich über sein Interesse an ihrem Wohlergehen. Jetzt war er kein »wilder Indianer« mehr, sondern wurde zum guten Freund.
»Als junges Mädchen ging ich mit meinem Vater zur Jagd. Aber ich habe schon lange nicht mehr geschossen.«
Er nickte. Nun wusste er, was er ihr beibringen und was sie über die Indianer erfahren musste. Außerdem wollte er seinen Freunden in den benachbarten Stämmen erklären, hier würde eine unbewaffnete, allein stehende Frau wohnen, die unter seinem Schutz stand. Damit würde er die Neugier einiger Indianer erregen. Manche würden zur Lichtung reiten, um sie zu beobachten oder sogar zu besuchen und Handel mit ihr zu treiben. Sobald sie wussten, dass sie sich in seiner Obhut befand, würden sie ihr nichts zu Leide tun. Bei den Irokesen hieß er White Bear - Weißer Bär. Er hatte in ihren Hütten gesessen, nach ihren Kämpfen mit ihnen getanzt und an zahlreichen Zeremonien teilgenommen. Schon vor vielen Jahren hatte Red Jacket, der Irokesenhäuptling, ihn als seinen Sohn anerkannt. François' Frau und sein Kind, von den Huronen ermordet, waren bei ihren Ahnen bestattet worden.
Nach dem Essen räumte Sarah den Tisch ab, und sie wanderten in die milde Nacht hinaus. Während François neben ihr stand, erfassten ihn seltsame Gefühle. Seit Crying Sparrows Tod hatte es keine Frau in seinem Leben gegeben, die ihm wichtig gewesen wäre. Und jetzt sorgte er sich um Sarah. Für diese gefährliche Neue Welt war sie viel zu naiv und gutgläubig. Er wollte über sie wachen, ihr so viel beibringen, mit ihr in einem langen Kanu die Flüsse hinabfahren, an ihrer Seite tagelang durch die Wälder reiten. Doch er konnte ihr nicht erklären, was in ihm vorging und warum er Angst um sie hatte. Sie würde die komplizierte Situation dieser Region und die damit verbundenen Gefahren nicht verstehen.
Diese Nacht verbrachte er draußen bei seinem Pferd unter den Sternen. Er lag im Gras, starrte ins Dunkel, und es dauerte lange, bis er einschlief - in Erinnerungen an das Dinner mit Sarah beschäftigt. Am nächsten Morgen kam sie aus ihrer Küche, und er roch den köstlichen Duft von frisch gebratenem Speck. Sie hatte Maisbrot für ihn gebacken, und sie schenkte ihm dampfenden Kaffee ein. So gut hatte er schon lange nicht mehr gefrühstückt.
Danach ergriff er seine Muskete und die Gewehre und führte Sarah auf die Lichtung. Zu seiner Verblüffung erwies sie sich als gute Schützin und erlegte mehrere Vögel. Er versprach, die Muskete und Munition hier zu lassen, und empfahl ihr, Waffen für die beiden jungen Farmarbeiter zu kaufen, die sie vielleicht eines Tages beschützen müssten.
»Das ist sicher nicht nötig«, meinte sie und fragte, ob er sie zum Wasserfall begleiten wollte, bevor er weiterritt.
Wortlos wanderten sie dahin, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Am Ziel angelangt, schwiegen sie weiterhin und beobachteten stumm die majestätische Kaskade. Wenn Sarah das Wasser rauschen hörte und funkeln sah, spürte sie die heilsame Wirkung, die es auf ihre Seele ausübte. Lächelnd wandte sich François zu ihr, aber jetzt wirkte er wieder distanzierter, und sie fragte sich vergeblich, was er denken mochte. Diesen ausdruckslosen geheimnisvollen Blick musste er von seinen Indianerfreunden übernommen haben. »Wenn Sie mich brauchen, verständigen Sie die Garnison, Sarah. Entweder wissen die Soldaten, wo ich bin, oder sie schicken einen indianischen Späher zu mir.« Zum ersten Mal machte er einer Siedlerin ein solches Angebot. Doch sie wusste es nicht zu schätzen
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