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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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Knochensplitter kleben, nicht werde verlesen können. So weit reicht mein Mut denn doch nicht.
    Sie schreit.
    Mir sinkt das Herz in die Kniekehlen. Judd lässt die Hand sinken. Gill Tilley kommt um die Ecke gerannt.
    Er sieht nicht wie ein Mörder aus. Kein bisschen.
    Hallo, sage ich.
    Hallo.
    Sein Blick verrät keinerlei Misstrauen. Er verzieht den Mund zu einem konfusen Grinsen, das eher Willkommen in meinem Garten zu bedeuten scheint als Wer, zum Teufel, seid ihr, potenzielle Einbrecher.
    Wir haben nur Ihre rosa Außenwandverkleidung bewundert, sagt Judd.
    Gill sieht an seinem Haus empor.
     
    Ich wollte, ich hätte nicht an das Wort Hirn gedacht. Denn in meiner Fantasie ist der Baum jetzt über und über damit behängt. Was natürlich gar nicht sein kann. Der Baum hat meinem Dad nicht den Schädel gespalten. Oder doch. Und will ich das überhaupt wissen.
    Nein.
    Es ist vermutlich nicht einmal derselbe Baum. Die Tilleys würden einen Baum, der einen Menschen erschlagen hat, niemals behalten oder gar schmücken. Sie würde die neue Dora-Puppe ihrer Tochter niemals unter einen solchen Baum legen. So pervers sind sie nicht. Herrgott, das sieht man doch schon an der Frisur des Mädchens.
    Wir steigen in den Van.
    Das war komplette Zeitverschwendung, sage ich.
    Nein, das finde ich nicht.
    Ich knülle mein Victim Impact Statement zusammen.
    Das Dumme ist: Wenn man einmal angefangen hat, Detektiv zu spielen, kann man nur schwer wieder damit aufhören. Ich sehe aus dem Fenster, und da, in der Einfahrt der Tilleys, steht der Pick-up Truck. Ich bin an ihm vorbeigelaufen, ohne ihn zu bemerken. Moment mal, sage ich zu Judd.
    Der Truck ist ein alter Ford. Marineblau mit rechteckigen Scheinwerfern. Ich umrunde ihn einmal und gehe dann zum Van zurück.
    Okay, fragt Judd.
    Okay.
     
    Wir sind gerade auf der Harbour Arterial, als ich sage: Müsste er nicht eigentlich zwei Außenspiegel haben. Du hast schließlich auch zwei Außenspiegel.
    Judd sieht mich fragend an.
    In die Fahrbahn der Harbour Arterial sind schmale Metallstreifen eingelassen, und wenn man darüberfährt, pumpern die Reifen wie ein Herz. Ba-bam. Ba-bam.
    Und wäre ein Baum, der von der Ladefläche dieses Trucks hängt, tatsächlich auf einer Höhe mit der Medulla oblongata. Ba-bam. Ich frage nur.
    Kommt auf die Höhe der Medulla oblongata an, meint Judd.
    Ich nicke. Ba-bam.
    Soll ich umdrehen, fragt er.
    Ich nicke.
     
    Eigentlich habe ich etwas gegen Leute, die gleich nach Weihnachten ihre Tannenbäume entsorgen. Aber heute will ich eine Ausnahme machen. Wir fahren noch einmal durch Mount Paler, und es dauert keine Viertelstunde, bis wir einen Weihnachtsbaum gefunden haben, der bäuchlings in der Gosse liegt.
    Hältst du das für eine gute Idee, sagt Judd, als wir ihn in den Van hieven. Vielleicht sollten wir erst mal darüber nachdenken, ob das wirklich eine gute Idee ist.
    Ich sehe ihn an. Okay.
    Und so machen wir es uns mit dem Baum im Laderaum des Vans gemütlich und denken scharf nach. Warum soll das keine gute Idee sein.
    Zum Beispiel weil du damit die Grenze zwischen Ermittlung und Nachstellung des Tathergangs überschreitest.
    Ich nicke. Ich überfliege meine Liste. Gestern noch lag die Zahl meiner hiesigen Verdächtigen bei null. Aber mit Gill Tilley ist sie auf eins gestiegen. Zugegeben, er ist in einem anderen Fall verdächtig. Oder doch nicht. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht.
    Ich falte meine Liste zusammen.
    Warm genug.
    Ja. Ich hole tief Luft. Riechst du den Baum.
    Er riecht fantastisch.
    Judd erzählt mir, dass er als kleiner Junge einmal einen Tannenbaum gerettet habe, der einen Tag nach Weihachten die Straße entlangwehte. Er wollte ihn behalten. Seine Eltern hatten nichts dagegen. Dabei sind Weihnachtsbäume, äh, eigentlich nicht koscher.
    Du hast einen Tannenbaum gerettet.
    Er war noch grün und lebendig, sagt er. Er hatte bloß Durst.
    Hast du ihn mit Lichterketten geschmückt.
    Und ob.
    Ich starre zur Ladeklappe hinaus. Es ist dunkel. Das Problem ist: Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Wir können natürlich noch einmal zu den Tilleys fahren, den Baum auf die Ladefläche ihres Trucks legen und uns ausmalen, wie er sich heimlich, still und leise von hinten angeschlichen hat an den Kopf von meinem Dad. Und ich kann mir den fehlenden Spiegel aus der Nähe ansehen. Und vielleicht kann Judd sich neben den Truck stellen. Seine Medulla oblongata müsste mit der von meinem Dad ungefähr auf einer Höhe liegen. Und vielleicht kommt Gill

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