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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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Tilley sogar aus seinem rosa Haus und muss erkennen, dass wir keine bloßen Bewunderer seiner Außenwandverkleidung sind. Ihm wird klar, was wir im Schilde führen. Und selbst wenn er dann sagt: Ja, Ihr Dad wurde nicht von einem Weihnachtsbaum, sondern von einem Außenspiegel erschlagen, oder: Er wurde von beidem erschlagen, oder: Ja, der Weihnachtsbaum lag ein wenig höher als eine Medulla oblongata, aber Ihr Dad befand sich gerade auf einer Schneewehe. Und ich hatte keine Ahnung, dass der Baum in Mordwaffenstellung von meinem Truck hing. Ich hatte keinen blassen Schimmer. Es war ein Unfall. Ein dummer Zufall. So was kommt vor.
    Ich weiß.
    Trotzdem komme ich der Lösung damit keinen Schritt näher.
    Fahren wir nach Hause, sagt Judd.
    Würdest du mir freundlicherweise erklären, was du mit »nach Hause« meinst.
    Zimmer 203.
    Und was ist mit dem Tannenbaum.
    Den bringe ich in den Laden.
    Wir können ihn ja wohl schlecht wieder auf die Straße werfen.

     
    A lle übrigen Verdächtigen sind nicht von hier. Noch immer keine Nachricht von Onkel Thoby. Ich hole tief Luft und beschließe, Großmutter anzurufen. Was kann es schon schaden. Ich tippe die Nummer ein. Kein Klingelzeichen. Nichts. Genau wie bei Toff.
    Ich lasse den Kopf hängen.
    Haben Sie die Landesvorwahl gewählt, sagt eine matte Stimme.
    Ich hebe den Kopf. Hallo.
    Hier ist die Vermittlung.
    Vermittlung. So was gibt’s noch.
    Die Landesvorwahl, sagt sie. Und sie klingt entnervt, als habe sie all meine fehlgeschlagenen Versuche, in England anzurufen, mitverfolgt und zu guter Letzt das Handtuch geworfen und eingegriffen, wenn auch nicht allzu beherzt.
    Ähm. Die Landesvorwahl. Eine Landesvorwahl habe ich, glaube ich, noch nie gewählt.
    Das ist Ihr Problem.
    Ich habe einen niedrigen IQ, sage ich.
    Das tut mir leid.
     
    Ich rechne eigentlich nicht damit, dass sie da ist. Uneigentlich schon. Und sie ist da. Sie klingt außer Atem, als sei sie gerade eine Treppe heraufgekommen, aber sonst scheint sie gesund und munter.
    Hallo. Wer ist da. Sprechen Sie.
    Was sagt man in so einem Moment. Ach, ich dachte, du stehst an der Schwelle des Todes, liegst im Koma oder doch wenigstens im Krankenhaus und legst Patiencen. Dabei bist du zu Hause. Steigst Treppen. Welch ein Glück. Ich bin ja so froh. Übrigens, wo steckt eigentlich dein ungeliebter Sohn. Der Sohn, der noch am Leben ist. Hast du ihn gesehen. Hast du Weihnachten mit ihm gefeiert.
    Was hast du mit ihm gemacht.
    Sie wohnt jetzt in London. Sie sieht schlecht. Und hat eine Pflegerin, die anscheinend nicht ans Telefon geht. Mein Dad hat mir irgendwann erzählt, sie habe das Cluedospielbretthaus verkaufen müssen, weil es ihr zu viel geworden sei. Wann habe ich das letzte Mal mit ihr gesprochen. Ich habe nicht die leiseste Ahnung. St. John’s und London haben nur selten miteinander telefoniert. Ich wollte, ich hätte mir einen Notizzettel zurechtgelegt. Damit ich mich nicht verzettele. Zu spät.
    Hier ist Audrey, Großmutter.
    Schweigen.
    Hol erst mal tief Luft, sage ich aufmunternd.
    Ich brauche nicht tief Luft zu holen.
    Du klingst völlig …
    Ich habe gerade einen Tisch umgeworfen.
    … aus der Puste. Wie geht’s dir.
    Ich lebe noch.
    Ach. Schön.
    Wen möchtest du sprechen. Mich ja wohl kaum.
    Meine Güte.
    Onkel Thoby, sage ich stockend. Ist er da. Hast du ihn gesehen.
    Wen.
    Oje, das hört sich gar nicht gut an.
    Onkel Thoby, wiederhole ich.
    Lange Pause.
    Pass auf, wer auch immer du bist. Ich bin verwirrt. Ich bin alt. Ich bin zu alt, um mich daran zu erinnern, was du nicht wissen darfst.
    Ähm, ja. Also, wenn du Onkel Thoby siehst, würdest du ihm dann bitte ausrichten, dass er mich anrufen soll.
    Gern. Ich schreib’s mir auf.
     
    Das Bett ist ungemacht. Ich krieche unter die Decke. Das muss eins der schlimmsten Gefühle aller Zeiten sein: In Jeans unter der Bettdecke zu liegen. Dann steh auf und zieh die Jeans aus. Nein.
    Okay, ein noch schlimmeres Gefühl: dass mir von meiner Familie nur noch Großmutter und Toff geblieben sind. Dass die Menschen, auf die es ankommt, die ich liebe, verschwunden worden und meine einzigen Verwandten Menschen sind, die ich hasse und die mich hassen.
    Ich habe das untrügliche Gefühl, dass ich mir den Kampf zwischen Toff und Onkel Thoby nicht nur eingebildet habe, sondern dass dieser Kampf tatsächlich stattgefunden und Onkel Thoby ihn verloren hat. Und dass ich das falsche Rätsel lösen wollte, das eigentliche oder die eigentlichen Rätsel meine deduktiven

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