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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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Ich zappelte nervös auf meinem Sitz und sah den Gepäckabfertigern zu. Sie waren allesamt symmetrisch.
     
    A ls ich unter dem Baum erwache, hat der Nebel sich verzogen. Die Sonne geht unter. Heiliger Strohsack. Ich will aufspringen, aber meine Glieder sagen: Warte. Wir sind stocksteif, in Embryonalstellung erstarrt. Wir müssen uns langsam recken und strecken. Dem Licht entgegen wie eine Blume. Drauf geschissen. Keine Zeit. Meine Jeans und meine Beine darin machen ein knarzendes Geräusch. Ich humple mit meiner Tasche im Schlepptau aus dem Vogelkäfig.
    Und stehe in einem völlig anderen Park. Die Sonne ist gleißendes Gold. Die Skyline ist von geradezu absurder Putzigkeit. Mir kommen fast die Tränen, wenn ich daran denke, dass ich den ganzen Weg zu Toffs mews zu Fuß zurücklegen muss. Meine Beine machen nicht mehr mit. Sie sind heute 195 Stufen hinaufgestiegen. Sie sind stocksteif. Sie nehmen mir den langen Flug via Montreal noch immer übel. Ich stehe ihnen bis hier (Hüfthöhe). Setzen wir uns doch ein Weilchen auf die Bank da drüben.
    Nein.
     
    Als ich bei Toff ankomme, ist es dunkel. Es brennt Licht. Ich kann ins Wohnzimmer sehen. Pardon, in den Salon. Er ist in tristes Unterwassergrün getaucht. Ich habe den dunklen Verdacht, eine Deckenleuchte ist der Übeltäter.
    Toff erscheint am Fenster. Da steht er. Und telefoniert. Ein offener, sehr offener Kragen. Kein Halstuch. Beim Sprechen trommelt er mit den Fingern den Takt auf seinem Schlüsselbein. Er hat also tatsächlich ein Schlüsselbein. Und ein intaktes Telefon.
    Gleich erlebt der triste, unterwassergrüne Toff sein blaues Wunder.
    Klopf klopf an die Scheibe. Er macht vor Schreck einen Satz rückwärts. Ich winke.
    Der leapling , stößt er hervor.
    In der Tat. Du hast etwas, das mir gehört, n’est-ce pas .
    Wir starren uns einen Moment lang an. Er sieht aus wie jemand, der den Fluch seines Daseins durch sein eigenes Spiegelbild betrachtet. Schließlich deutet er zur Tür. Ich durchquere den Vorgarten und steige die gleichnamige Treppe hinauf.
    Er ist nicht gerade außer sich vor Freude. Audrey, Audrey. Er bittet mich herein. Was ist denn mit deinem Gesicht passiert. Gott, was machst du hier. Wann bist du angekommen. Undsoweiter.
    Ich parke meine Reisetasche. Und sehe an ihm vorbei. Wo sind der Stuhl, das güldene Licht und die Fesseln.
    Was ist denn mit meinem Gesicht, sage ich.
    Er zeigt mit dem Finger. Links von mir hängt ein Spiegel, in dem ich ein blaues Auge habe. Und ein Gerstenkorn. Das eigentlich schon am Abheilen war, bis ich mein Antibiotikum zu Hause liegen ließ. Von meinen anderen Blessuren ganz zu schweigen.
    Hat dich jemand geschlagen.
    Nein. Ein Hagelkorn.
    Du bist in den Hagelschauer geraten. Er kratzt sich heftig am Kopf.
    Ich starre auf seine Brust. Sie ist so. Sichtbar. Mit Brust sieht er ganz anders aus.
    Wie bist du hierhergekommen.
    Ich breite die Arme aus. Geflogen.
    Nein, ich meine …
    Air Canada.
    Nein, ich meine …
    Onkel Thoby hat diese Adresse hinterlassen. Ich habe x-mal versucht, dich anzurufen. Warum bist du nicht drangegangen. Und komm mir nicht mit der Landesvorwahl-Nummer.
    Mit welcher Nummer.
    Hinter ihm ist eine dunkle Treppe. Ich schaue hinauf.
    Hast du etwas gegessen, sagt er und nimmt mir den Mantel ab. Ich habe Käse, sagt er. Wie wär’s mit etwas Käse.
    Ich packe ihn am Arm. Ist er hier.
    Er macht ein ratloses Gesicht. Wer.
    Onkel Thoby.
    Nein.
     
    Ein Sofa teilt den Salon in zwei Hälften. Toff ist eifrig damit beschäftigt, auf dem Esstisch eine Käseskyline zu errichten.
    Hast du Hunger, fragt er, als er fertig ist.
    Eigentlich nicht.
    Oh.
    Und so holt er mir ein Glas Orangensaft und sich etwas Hochprozentiges, und wir sitzen uns gegenüber.
    Wann hast du ihn zuletzt gesehen, frage ich.
    Am Flughafen.
    An welchem.
    Montreal.
    Nicht Heathrow.
    Wir sind getrennt geflogen.
    Warum.
    Was ist das, ein Verhör.
    Ich schaue nach oben. Es ist tatsächlich eine Deckenleuchte. Mit grünem Glasschirm. Ein schauriges Licht. In dem Toff noch pockennarbiger und schauriger aussieht als ohnehin schon. Aber vermutlich nicht halb so schaurig wie ich. Ob er lügt.
    Ja, sage ich.
    Was, ja.
    Das ist ein Verhör.
    Er sieht so hilflos aus mit seinem Schlüsselbein.
    Ich weiß, dass Großmutter nicht an der Schwelle des Todes steht. Ich habe mit ihr gesprochen. Das Spiel ist aus.
    Welches Spiel. Nein. Lass mich raten. Du hast den Cluedo-Revolver in der Tasche.
    Haha. Ich sage, es gebe viele Rätsel. Sehr viele sogar, die

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