Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
Vom Netzwerk:
ich momentan zu lösen versuche. Na schön, zwei. Im einen sei er der Hauptverdächtige. Im anderen Leonel de Tigrel.
    Leonel de Tigrel. Seine Wolfsaugen blitzen.
    Dann kennst du ihn also.
    Nein.
    Du siehst aus wie jemand, der ihn kennt.
    Und wie sieht jemand aus, der ihn kennt.
    Wie du. Wedge ist verschwunden.
    Er scheint perplex. Nicht weil Wedge verschwunden ist, sondern weil mir das so viel bedeutet. Entschuldige, aber was hat das …
    Bei der Beerdigung von meinem Dad hat Leonel de Tigrel den armen Wedge gekidnappt. So ähnlich, wie du Onkel Thoby gekidnappt hast.
    Audrey.
    Was.
    Beruhige dich. Und hör mir zu.
    Ich lehne mich zurück. Okay. Ich bin die Ruhe selbst. Und obendrein ganz Ohr. Sprich.
    Leonel de Tigrel war nicht auf der Beerdigung deines Vaters.
    Ich glaube doch. So’n Dicker. Belgier. Löwe.
    Leonel de Tigrel ist kein Belgier.
    Ich glaube doch.
    Er stellt sein Glas ab. Geht aus dem Zimmer. Kommt mit einer Zeitschrift zurück. War der vielleicht auf der Beerdigung deines Vaters.
    In der Zeitschrift ist das Foto eines Mannes mit langem Rumpels toff zchenbart und Hawaiihemd. Darunter steht: Hanswurst oder Heilsbringer.
    Nein, nicht dass ich wüsste.
    Das ist Leonel de Tigrel.
    Ich lache. Unsinn.
    Doch. Hier. Lies.
    Ich lese nicht gern.
    Audrey.
    Na schön, dann ist das eben Leonel de Tigrel. Komisch. Er sieht ganz anders aus als der Leonel de Tigrel auf der Beerdigung von meinem Dad.
    Dass es zwei Leonel de Tigrels gibt, halte ich für äußerst unwahrscheinlich, sagt Toff und setzt sich wieder.
    Meinetwegen. Auch egal. Verdächtig ist er trotzdem.
    Inwiefern. Pass auf, Audrey …
    Ein Geräusch im Flur lässt ihn verstummen. Ein bedächtiges Klick, Klick, Klick. Schritte. Auf Zehenspitzen.
    Tja, sagt Toff. Da will uns wohl jemand mit seiner Anwesenheit beehren.
    In der Tür erscheint ein Gesicht.
    Ich schreie. Oder, besser, kläffe. Weil ich nicht sofort erkenne, dass das Gesicht nicht menschlich ist. Das Gesicht ist so ernst. Und außerdem auf Menschenhöhe.
    Aber es ist kein Mensch. Sondern ein Hund. Eine Dänische Dogge.
    Ich klettere zögernd von der Sofalehne.
    Der Hund mustert mich mit ruhigem Blick. Wir haben doch nicht etwa Besuch. Er klickt ins Zimmer wie auf Stelzen. Er sieht aus wie ein Pferd. Mein Gott.
    Das ist Hamlet, sagt Toff. Sitz, Hamlet.
    Hamlet macht Sitz. Dabei beugt er die Hinterbeine wie eine Ballerina beim Plié, wenn auch auf etwas, nein, auf sehr viel unanständigere Art und Weise.
    Ich weiß, was du jetzt denkst, sagt Toff.
    Das glaube ich kaum.
    Du denkst, wie viele Dänische Doggen namens Hamlet es wohl gibt.
    Nicht direkt.
    Während wir uns unterhalten, wandert Hamlets Kopf aufmerksam von rechts nach links. Sein Gesicht ist so schmal und ernst. Ich muss mir ein Lachen verkneifen. Er ist ganz grau. Seine flach anliegenden Ohren bilden perfekte Dreiecke.
    Komm her, Hamlet, flüstere ich.
    Hamlet sieht Toff fragend an.
    Toff nickt.
    Hamlet schreitet würdevoll durchs Zimmer.
    Auf meinem Sofa komme ich mir schrecklich klein vor.
    Er beschnuppert meine Augen. Er segnet meine Stirn. Seine Unterlippe ist feucht und schlaff.
    Ich schlinge ihm die Arme um den Hals.
     
    S päter, im Taxi zum Atomotel, wird mir klar, was für ein brillantes Ablenkungsmanöver dieser verdammte Köter war. Ein echter Geniestreich. Das muss man Toff lassen. Denn solange ich bei ihm war, hatte ich nur noch Augen für Hamlet. Ich versuchte, mich zu konzentrieren. Ich versuchte, Toff Informationen über seine Beziehung zu Leonel de Tigrel zu entlocken, die er beharrlich leugnete. Über Großmutters Gesundheit, um die es, wie er zugeben musste, nicht annähernd so schlimm steht, wie er befürchtet hatte (leichter Schlaganfall, gebrochenes Handgelenk). Und über Onkel Thoby, dessen Aufenthaltsort ihm angeblich unbekannt ist.
    Derweil nahm Hamlet die Käseskyline auf dem Esstisch hinter Toff genüsslich auseinander.
    Ein ganzer Camembert verschwand in seinem Schlund.
    Ein ganzer Schinken. Heimlich, still und leise.
    Wobei er, Hamlet, immer wieder flehentlich zu mir herüberblickte, als ob er sagen wollte: Kein Wort zu Toff.
    Toff saß mir nichts Böses ahnend gegenüber.
    Wetten, Sherlock Holmes hätte sich von einem Hund niemals so sehr becircen lassen, dass er darüber seine Ermittlungen vernachlässigt hätte. Eine wichtige Information allerdings konnte ich Toff abringen: den Weg zu Großmutter.
    Ich würde dir empfehlen, sie vorher anzurufen.
    Ich rufe sie aber nicht gern an.
    Ruf sie an, sagte er.

Weitere Kostenlose Bücher