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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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ich hatte das Gefühl, dass sie nach Westen flog. Was natürlich Unsinn war. Sie flog nach Osten. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass sie nach Westen flog, und mein Gehirn machte mir das Umdenken schwer. Ich dachte nach. Wenn man dasitzt wie ein Theaterpublikum, verlangt das Gehirn automatisch nach einem Gegenüber . Und so erfindet es eine Richtung. Diese Richtung ist willkürlich und hat mit der tatsächlichen Flugroute nichts zu tun.
    34J las ein Buch: Raupe mit Schmetterlingsflügeln von – wer hätte das gedacht – Shirley MacLaine. Auf der Rückseite steht Shirley wie üblich an einem Strand, aber das Foto war von oben aufgenommen, und sie hatte tatsächlich Ähnlichkeit mit eine Raupe, wenn auch ohne Schmetterlingsflügel. Darunter stand ein Zitat von Shirley: »Wenn ich zwei Monate am Stück gedreht hatte, schien mein Wagen wie von selbst zum Flughafen zu finden.« Du sprichst mir aus der Seele, Shirley.
    34J blätterte nicht um.
    Sie sind nicht zufällig ein Air Marshal, fragte ich.
    Pardon.
    Vergessen Sie’s. Entschuldigen Sie die Störung. Ich stellte meinen Sitz nach hinten und schaute eine Folge Sherlock Holmes .
    Ich war erstaunlich ruhig. Warum. Weil ich in geheimer Mission unterwegs war. Ich wollte Onkel Thoby und Wedge nach Hause holen. Dazu musste ich wie Sherlock Holmes vorgehen, Schritt für Schritt. Ich musste meine nicht allzu ausgeprägten deduktiven Fähigkeiten dazu benutzen, jeden Irrtum auszuschließen, bis die Wahrheit und nichts als die Wahrheit übrig blieb.
    Außerdem hatte ich den roten Fallschirm eingepackt.
     
    Ich machte mir den Spaß, in Gedanken zwei Szenarien durchzuspielen, während die anderen Fluggäste ein Nickerchen hielten.
     
    SZENARIO 1:
    Ich fahre nach Cambridge und warte in den frühen Morgenstunden vor dem Humouse House. Hoffentlich ist ein Starbucks in der Nähe. Ich warte auf Leonel de Tigrel. Als er schließlich auftaucht, stelle ich ihn zur Rede. Seine Löwenohren zucken. Der leapling , stößt er hervor. Genau. Sie haben etwas, das mir gehört, n’est-ce pas . Er will sich mir in den Weg stellen, doch ich, nicht faul und vom Kaffee berauscht, hüpfe federleicht über ihn hinweg und lande schnurstracks in seinem Labor. Dort, in güldenes Licht getaucht, steht ein Terrarium. Wedge! Er richtet sich auf, rüttelt am Gitter. Hier bin ich, Audrey!
     
    SZENARIO 2:
    Ich warte in den frühen Morgenstunden vor Toffs Haus. Hoffentlich ist ein Starbucks in der Nähe. Als Toff aus dem Haus kommt, stelle ich ihn zur Rede. Seine Wolfsaugen blitzen. Der leapling , stößt er hervor. Genau. Du hast etwas, das mir gehört, n’est-ce pas . Er will sich mir in den Weg stellen, doch ich, nicht faul und vom Koffein beflügelt, hüpfe federleicht über ihn hinweg und lande schnurstracks in seinem Haus. Dort, in güldenes Licht getaucht, sitzt Onkel Thoby an einen Stuhl gefesselt. Onkel Thoby! Ich löse den Knebel. Oddly!
     
    Vor dem Flugzeugfenster war nichts zu sehen, bis der Pilot nach endlosen Stunden sagte: Verehrte Fluggäste, wir befinden uns derzeit über Belfast. Es war noch dunkel, nur am Horizont schimmerte zart ein rosa Saum. Belfast bestand aus ein paar vereinzelten Lichtpunkten. Von Belfast hätte ich eigentlich mehr Lichter, um nicht zu sagen ein Lichtermeer erwartet. Aber wir flogen ja auch ziemlich hoch.
    Der rosa Saum wurde langsam, aber sicher breiter.
    Die Schiebeklappe meines Fensters war ein halb geschlossenes Augenlid. Wach auf, kleines Auge. In der zartrosa Ferne sah ich andere Flugzeuge. So viele, dass ich sie nicht zählen konnte. Na schön, ich konnte sie zählen. Elf. Von meinem Fenster aus zählte ich elf Flugzeuge. War das normal.
    34J sagte: Wir befinden uns im verkehrsreichsten Luftraum der Welt. Natürlich ist das normal.
    Noli me tangere , all ihr anderen Flugzeuge. Sie kreisten. Genau wie wir. Wir zeichneten ein vermutlich recht hübsches Muster aus sich überlappenden Kreisen an den Himmel. Wir mussten warten, bis wir an der Reihe waren und auf dem Fluchhafen Heathrow landen durften.
    Flugzeuge aus aller Welt. Als wir zum Terminal rollten, sah ich ein echtes Qantas-Flugzeug. Was ich für ein gutes Omen hielt. Ich sah AUP Air. OP Air. Ich bin ein Berlin Air. Mutt Air. Vat Air. Brood Air. Ich war ziemlich aufgeregt. Trotz der Ernsthaftigkeit meiner Mission.
    Ich zurrte meinen Pferdeschwanz ein wenig fester. Ich hatte wieder sicheren Boden unter den Füßen. Sicheren Boden, aber unsicheres Terrain. Neues Terrain.
    Wir hatten unser Gate erreicht.

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