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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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Farbe beraubt zu werden. Dubai, sagte ich. Wahnsinn! Ich packe schon mal meine Siebensachen.
    Ähm, sagte Mitt.
    Ich hob den Blick.
    Mit einer Schildkröte in die Vereinigten Arabischen Emirate, sagte Mitt. Daraus wird wohl nichts werden.
    Ach.
    Die neuen Mieter brauchen dich, sagte Mitt.
    Ach.
    Er sollte recht behalten. Auch wenn ich sie anfangs nicht besonders mochte. Aber mit der Zeit gewann ich Cliff recht lieb. Und dann schließlich auch sie. Sie schwelgten oft und gerne in Erinnerungen an das Land, in dem sie sich kennengelernt hatten und zusammen glücklich gewesen waren. In diesem anderen Land gab es einen See, eine Straßenbahn, Berge, die sich die Jalpen nannten, und hohe Decken. Sie erinnerten sich mit Vorliebe an die Straßenbahn und dass Cliff sich nie eine Fahrkarte kaufte und trotzdem nicht erwischt wurde.
    Sie hatten heimlich miteinander geschlafen, im Haus einer Frau, die Cliff nicht sonderlich sympa fand. Aber das spielte keine Rolle. Sie standen kurz vor einer Beziehung. Und Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Das Schlafzimmer hatte hohe Decken, Holzbalken und ein Oberlicht. Cliff kletterte auf einen Stuhl und ritzte ihre Namen in einen Balken. Und das, ohne sich den Kopf zu stoßen.

Sie fuhren in die Berge und frönten dem Extremsport. Das machte die Sache perfekt. Als sie aus den Bergen kamen, waren sie voller blauer Flecke und verliebt bis über beide Ohren. Sie mussten sich entscheiden. Würden sie in seinem Land leben oder in ihrem Land oder doch im Jalpen-Land. Sie einigten sich auf sein Land. Was rückblickend vielleicht nicht unbedingt die beste Wahl war. Aber wie dem auch sei, sie kamen in dieses Land, in diesen Staat und diese Wohnung, wo ich in meinem Panasonic-Druckerkarton saß und wartete. Cliff hob mich hoch. Und reichte mich an Audrey weiter. Sieh mal, sagte er. Eine Schildkröte. Zu einer Schildkröte würde ich nicht Nein sagen, sagte sie, und das beileibe nicht zum letzten Mal.
    Nachdem Cliff sich abgeseilt hatte, fing sie an, die Wände hochzugehen, umrundete, wie sie zu sagen pflegte, ihre kleine, traurige Welt, die Wohnung, die nun ohne Cliff auskommen musste. Ihr bedauernswerter Anblick hätte selbst den härtesten Brustpanzer erweicht. Besonders als sie den Halt verlor und stürzte. Nicht sehr tief zwar, aber immerhin.
    Vom Rasenschwarzmähen hatte sie starke Arme, aber ein guter Kletterer braucht keine starken Arme. Ein guter Kletterer braucht starke Beine.
    Große Hände können auch nicht schaden. Große Füße schon eher.
    Später reisten wir gemeinsam, und ich durfte auf dem Armaturenbrett mitfahren. Das machte die Sache perfekt.
    Sie ist nicht die Vor mieterin. Sie ist die Mieterin.
    Trotzdem frage ich mich manchmal, wie lange es wohl dauert, bis ihr eine kanadische Schildkröte über den Weg läuft, zu der sie nicht Nein sagen kann. Und sie dieser Schildkröte ein neues, feuerfestes Schloss inklusive hochmoderner Wärmelampe baut. Äh. Moment mal. Die kanadische Schildkröte braucht gar keine Wärmelampe, weil kanadische Schildkröten die Kälte lieben . O ja, ich sehe es förmlich vor mir. Auf dem neuen Schloss weht die kanadische Flagge von einem schwer entflammbaren Türmchen. Audrey und die neue Schildkröte toben fröhlich im Schnee. Machen Schneeengel. Ja, die neue Schildkröte ist eher Hund als Schildkröte.
     
    O nkel Thoby ist jetzt schon seit drei Stunden weg. Er ist trotz der Wetterbombe in ein Clint’s Cab gestiegen, um Toff vom Flughafen abzuholen. Der Flug war erstaunlicherweise pünktlich. Gott sei Dank sitze nicht ich in der Maschine, sagte ich. Sondern Toff.
    Warum Onkel Thoby während einer Wetterbombe sein Leben aufs Spiel setzen müsse, wollte ich wissen. Ob Toff denn nicht auch allein in sein Hotel finden würde.
    Onkel Thoby zog seine grellorangenen Handschuhe an und sah müde aus.
    Entschuldige, sagte ich.
    Eins will mir partout nicht in den Kopf: Warum Onkel Thoby jedes Mal persönlich beleidigt ist, wenn man etwas Beleidigendes über andere sagt.
    Ich folgte ihm hinaus auf die Veranda. Der Wind verwehte uns die Haare. Ich muss es Toff sagen, sagte er. In persona.
    Was. Ach so. Dass das Komma vorbei ist.
    Armer Onkel Thoby. Also noch mal das Gleiche wie gestern. Toffs langsamer Landeanflug via Rolltreppe. Walter ist tot. Punktum. Ob Toff wohl wacklig auf den Beinen wird. Oder klappt er einfach seinen Aktenkoffer auf und sagt: Dachte ich’s mir doch.
    Ich nehme ein Taxi. Ich will schließlich kein unnötiges Risiko

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