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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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Armaturenbrett aus gesehen zu haben. Wir fuhren über eine Brücke. Guck mal, Win. Der Willamette. Soso. Der Willamette ist ein Mündel des Columberer, der weitaus breiter und gemächlicher dahinströmt als dieses ungestüme Ungetüm unter der Brücke.
    Vorgestern sagte Linda, am Willamette werde ein Film über Kredithaie gedreht, und ob Chuck nicht am Set vorbeischauen wolle, vielleicht werde ja noch ein Komparse gebraucht. Komparse , ein Wort auf das Chuck reagierte wie der Stier auf das sprichwörtliche rote Tuch. Chuck ist kein Komparse.
    Linda die Ungepflegte sagte, die Schauspieler hätten sich auf der Brücke eine lautlose Schießerei geliefert. Ziemlich cool. Chuck zeigte sich davon wenig beeindruckt. Er sagte, die Schüsse würden nachvertont.
    Aber um auf den Willamette zurückzukommen. Jetzt, wo ich weiß, dass er ein Fluss ist, erscheint mir Chucks wiederholte Bemerkung, er sei so einladend , noch rätselhafter als zuvor – was, bitte, möchte er mir damit sagen. Er trägt mich zum Fenster, hält mich hoch, und ja, in der Ferne erkenne ich undeutlich den Umriss einer Brücke.
    Wenn mich nicht alles täuscht, war die Brücke ziemlich hoch. Sehr hoch sogar. Außerdem wimmelt es im Fluss offenbar von Haien.
     
    Es klopft an der Tür. Chuck sieht mich an. Darf ich bitten, sagt er, und macht eine entsprechende Geste.
    Ich blinzele ihn an. Mir hängt ein Salatblatt aus dem Maul.
    Na schön.
    Er hievt sich von der Couch.
    Es ist ein Bote von UPS. Hoppla, der sieht aber schnieke aus, jedenfalls im Vergleich zu Chuck. Schauen wir uns die beiden doch mal genauer an. Der UPS-Bote, der übrigens Julius heißt, trägt eine frisch gestärkte braune Jacke mit gelben Akzenten, braune Shorts (im Dezember!) und braune Stiefel. In der einen Hand hält er ein Päckchen und in der anderen ein elektronisches Gerät, um Chuck Stillers Unterschrift zu speichern. Chuck trägt das Übliche. Nichts. Außer seinen Boxershorts, natürlich. Und Im Bett mit Macbeth , das er mit zur Tür geschleppt hat. Julius beäugt das Buch. Chuck beäugt das Päckchen. Hier unterschreiben, sagt Julius und sieht sich in der Wohnung um. He, ist das eine Schildkröte.
    Ja, leider, sagt Chuck.
    Julius gibt Chuck das Paket.
    Hässlichen Dunk, sagt Chuck.
    Wie bitte, sagt Julius.
    Machen Sie’s gut.
    Chuck schließt die Tür und betrachtet das Päckchen von allen Seiten. Es ist klein und flach wie eine Scheibe. Nanu, sagt er. Dreimal darfst du raten, von wem das kommt.
    Ich lasse mein Salatblatt fallen.
    Genau, sagt er. Er setzt sich aufs Sofa. Weißt du, wonach das aussieht.
    Und erst als er es ausspricht, fällt mir auf, dass das Päckchen tatsächlich in etwa meine Form und Größe hat.
    Wenn das eine zweite Schildkröte ist, dann gute Nacht.
    Mir stockt das Blut in den Adern. Eine Schildkröte aus Kanada. Aber das ist absurd. Man kann eine Schildkröte nicht mit der Post versenden. Oder doch. Und warum sollte sie eine neue Schildkröte hierherschicken. Wäre es nicht logischer, sich ihre alte nachsenden zu lassen.
    Chuck wickelt das Päckchen langsam aus. Ich stecke den Kopf durchs Fenster und schaue ihm zu.
    Es ist keine Schildkröte. Es ist ein Feuermelder.
     
    Als Linda nach Hause kommt, folgt sie der Anweisung auf dem beigelegten Zettel und bringt den Feuermelder über meinem Schloss an.
    Chuck findet das albern. Sie hätten doch nebenan schon einen Feuermelder. Linda sagt, einer mehr könne nicht schaden. Chuck sagt, Audrey scheine zu glauben, sie würden elektrisch heizen. Dabei hätten sie Zentralheizung. Das Schloss könne eventuell ein wenig aus der Form geraten, aber Feuer fangen werde es in keinem Fall.
    Trotzdem, sagt Linda. Du rauchst.
    Nicht in der Wohnung.
    Aber vor der Tür.
    Mir wäre es auch lieber, wenn ich zum Rauchen nicht vor die Tür gehen müsste, sagt er.
     
    Später, als die beiden im Bett liegen und schlafen, klettere ich zum Nachtbaden in meinen Pool, und als ich zufällig aufblicke, sehe ich das rote Licht des Feuermelders, wie ein Flugzeug, das über den Himmel zieht. Es erinnert mich an die alte Wohnung, weil auch dort ein Flugzeug am Himmel stand. Und wenn ich ganz stillhalte, wirft das rote Licht einen hellen Punkt auf die Oberfläche meines Pools, den ich dann zu fressen versuche, ohne Erfolg.
    Den Feuermelder hat sie geschickt, weil sie nicht will, dass mir etwas passiert, und damit ich mich hier zu Hause fühle. Das ist sehr nett und aufmerksam von ihr. Aber dass sie mir einen Feuermelder schickt, heißt auch,

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