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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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Verlaines Auto angeschoben haben, schien es ihm gut zu gehen. Richtig gut. Ich sprang in seine Arme, und er hob mich sogar hoch.
    Es geht ihm nicht gut.
    Ich weiß. Und als mir das Wort Absturz durch den Kopf schießt, geht er auch schon in die Knie und stürzt krachend auf die Dielen.
    Ich springe auf. Ich habe die Hand am Türknauf. Er kniet zusammengesunken auf der Veranda. Weint. Und ich bin wie gelähmt. Ich beobachte ihn heimlich, hinter seinem Rücken. Dieser Anblick ist nicht für dich bestimmt. Zieh dich zurück.
     
    In meinem Zimmer mache ich kein Licht. Ich klettere ins Bett. Meine Augen wollen sich nicht an die Dunkelheit gewöhnen. Sie haben sich an so vieles gewöhnen müssen. Und jetzt hat es sich ausgewöhnt. Mach uns einfach zu. Ich mache sie zu. Und sehe nichts. Beim bloßen Gedanken daran, dass er weint, schnürt sich mir die Kehle zu. Ich drehe mich auf die Seite und verschlinge die Arme wie ein Korkenzieher. Jetzt sehe ich die roten Lichter des Christmatech-Vans auf der Innenseite meiner Lider blinken. Ich sehe ein rotes Rechteck in einem weißen Straßenlabyrinth. In diesem Van ist mein Dad noch am Leben. In diesem Van lebt mein Dad. Ich laufe ihm hinterdrein. Da verwandelt er sich in den Lada. Meine Arme sind so stark, dass ich den Wagen hochheben kann.
    Mein Dad hat Onkel Thoby gerettet. Er ist nach England geflogen, um ihn zu retten. Er hat ihn überredet, zu uns zu kommen. Frag nicht, was du für dein Land tun kannst. Frag dich, was du für Onkel Thoby tun kannst. Nein. Ich meine, frag dich nicht, was du ohne deinen Dad tun wirst. Frag dich, was Onkel Thoby tun wird. Wach auf und frag dich.
    Ich werde ihn beschützen.
    Du bist schon im Montage-Land.
    Das war unglaublich nett von dir, Judge Julian-Brown. Dass du dich persönlich herbemüht hast, um meinen Dad vor euren fehlerhaften Lichterketten zu beschützen.
    Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass unsere Kunden noch am Leben sind.
    Danke, sehr freundlich.
    Auf dem Küchentisch steht das selbstgebaute Labyrinth, das Wedge vor ein paar Jahren von meinem Dad zu Weihnachten bekommen hat. Wir setzten Wedge in die Mitte. Wo er einfach hocken blieb und sich die Ohren wusch.
    Es gefällt ihm, sagte ich zu meinem Dad. Bestimmt.
    Onkel Thoby legte meinem Dad die Hand auf die Schulter. Ist das Hampton Court.
    Du hast’s erfasst.
    Du hast Hampton Court nachgebaut, staunte Onkel Thoby.
    Noch immer keine Reaktion von Wedge, obwohl am Ausgang ein Stück Käse lag.
    Wo ist Hampton Court, fragte ich.
    London.
    Dein Dad und ich haben uns einmal in Hampton Court verlaufen.
    Zusammen oder einzeln.
    Zusammen.
    Als ihr noch klein wart, sagte ich.
    Nein.
    Wir saßen um den Tisch und warteten darauf, dass Wedge den Käse witterte. Stattdessen machte er es sich in einer Ecke gemütlich und putzte sich. Schließlich stand Onkel Thoby auf und vertauschte den Käse mit einem Stück Lakritz. Das klappt bestimmt.
    Und tatsächlich. Wedge stieg auf die Zehenspitzen, zog sich mit den winzigen Händen an der Wand hoch und schnupperte. Nach sechs Minuten hatte er den Weg aus dem Labyrinth gefunden.
    Ich kann es immer noch im Kopf. In gerade einmal zwei Minuten. Im Schlaf sogar noch schneller. Das Schöne an Labyrinthen ist, dass es immer eine Lösung gibt. Es gibt immer einen Weg hinaus. Wer würde auch ein Labyrinth ohne Ausgang bauen.

     
    A ngenommen, das Leben würde ewig währen. Von Unfällen wie Flugzeugabstürzen einmal abgesehen. Je nun. Ein Jahr nach der Flugzeuggeschichte – ich träumte nach wie vor von unserem Beinahe-Absturz – eröffnete mir mein Dad, dass er für eine Weile nach England müsse.
    Wir hatten gerade ein Kapitel von Zwischenleben ausgelesen, einer Biografie über Shirley MacLaine von Shirley MacLaine. Shirley wollte in ein Flugzeug steigen und nach London fliegen. Und, ach übrigens, er auch.
    Er stand auf und räumte den Tisch ab.
    Was!
    Er müsse seinem Bruder Thoby unter die Arme greifen, der in einer schweren Krise stecke, also quasi Zwischenleben und Tod …
    Was. Lass Shirley aus dem Spiel.
    Pardon, sagt er. Ich muss nach England fliegen und Onkel Thoby aus einer Klemme helfen. Er ist ziemlich arm dran.
    Mein Dad sprach zwar hin und wieder von einem Bruder, aber in letzter Zeit hieß es ständig Onkel Thoby dies und Onkel Thoby das. Als ich sagte: Onkel Thoby. Den kenne ich doch von Großvaters Beerdigung, sagte mein Dad: Nein, das kann nicht sein.
    Wohl. So einer mit langem Bart.
    Das war Toff.
    Ach.
    Onkel Thoby war nicht bei der

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