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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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und immer schneller rollte es auf seinen dürren Beinen. Und dann, statt abzuheben, ließ die Erde es einfach los. Die Erde ließ erst das Vorderrad und dann die Hinterräder los. Das Flugzeug kletterte steil und langsam in den Himmel. Zu steil und zu langsam. Gleich fällt es wieder runter. Ich hielt mir die Augen zu. Und dann wieder auf.
    Wissen Sie noch, wie Luke in Das Imperium schlägt zurück von Yoda zum Jedi-Ritter ausgebildet wird. Er hebt Lukes Flugzeug nur mit Hilfe der MACHT aus einem Sumpf. Er zeigt auf das Flugzeug, und es schwebt in der Luft.
    Ich zeigte auf das Flugzeug von meinem Dad. Bleib in der Luft.
    Die Flugzeugbeine knickten ein.
    Das Flugzeug wurde so lächerlich klein, dass mein Dad unmöglich noch darinsitzen konnte.
    Es war das erste Mal, dass wir getrennt waren. Das allererste Mal. Verlaine nahm meine Hand. Wir gingen über den Parkplatz zurück zum Auto. Ich drehte mich immer wieder um. Wir stiegen in den Lada. Wir machten die Türen zu, und der Wind kam durch das Loch im Boden.
    Was, wenn das jetzt für immer ist.
     
    R ambo hat so große Augen, dass du richtig hinein sehen kannst. Ich meine, direkt in die Pupille. Und was siehst du darin. Eine dunkelblaue Welt mit einem Berg, der auf dem Kopf steht. Und du denkst an die Worte von deinem Dad, der dir erklärt hat, dass das Auge alles auf dem Kopf sieht und das Gehirn es wieder auf die Füße stellt, und du fragst dich, ob du diesen Vorgang bewusst miterlebst. Ob du das umgekehrte Bild vielleicht doch sehen kannst.
    Verlaine sagt: Du kannst ihm ruhig den Hals tätscheln.
    Und du tätschelst ihm den Hals. Und es ist Liebe. Und nach einer Weile weißt du, dass er es mag, wenn du ihn am Hals kratzt, unter seiner Mähne, wo es heiß wird. Und wenn er mit gesenktem Kopf in seiner Box steht, hat er nichts dagegen, wenn du die kleine Delle über seinem Auge küsst. Und er legt dir für sein Leben gern die Nase auf die Schulter und kaut auf einer Haarsträhne herum. Und er mag Möhren. Und wenn du seine Unterlippe herunterziehst, findest du dort Möhrenreste, die er sich für später aufgehoben hat. Seine Zähne sind dick und fett und nicht besonders furchterregend.
    Warum sie ihr Pferd wohl nach dem schwitzenden Schießprügler Sylvester Stallone benannt hat.
    Verlaine sagt, ein Pferd gehe auf den Mittelfingern. Jetzt, wo ich Rambo etwas besser kenne, wundert es mich nicht, dass er mir den Finger zeigt. Er hat manchmal ziemlich schlechte Laune.
    Nein, mit Mittelfingern meine sie, dass Pferde in grauer Vorzeit Pfoten mit Stummelfingern hatten, und alle bis auf den Mittelfinger seien ins Bein zurückgekrochen und versteckten sich darin, unter dem Fell, bis auf den einen, der immer noch daraus hervorlugt und Kastanie heißt. Der Huf ist also in Wirklichkeit ein alter Mittelfinger.
    Wenn man den Huf hochhebt, hat er ein Dreieck in der Mitte, das man Strahl nennt. Der Strahl ist ein Stoßdämpfer, damit Rambos Zahnstocherbeine beim Laufen nicht zerbrechen. Außerdem ist der Strahl ein zweites Herz, das das Blut in die unglaublich langen Beine zurückpumpt.
    Er hat also fünf Herzen.
    Sozusagen. Verlaine lässt den Huf wieder sinken.
    Ich baue mich vor Rambos Umkehraugen auf und starre geradewegs hinein. Du verrückter Bursche. Was für ein wundersames Tier.
     
    Verlaine geht mit mir in die Stadt, in ein Geschäft mit einem Schild, das quer aus der Wand ragt wie eine Fahne. Auf dem Schild steht SATTLEREI. Sattler-Ei, sage ich.
    In der Stadt ist alles rappelvoll. Verlaine braucht fünf Anläufe, um den Lada einzuparken. Die Geschäfte stehen Schulter an Schulter und bieten alle mehr oder weniger das gleiche Bild: Lebensmittel, Kleider, Bücher. Lebensmittel, Kleider, Bücher. Nur das Sattler-Ei fällt aus dem Rahmen. Als wir eintreten, klingelt krächzend ein kleines Glöckchen.
    Pferdesachen!
    Der Sattler heißt Larry und sieht aus wie ein Ei mit einem langen schwarzen Zopf. Der Zopf fängt oben ganz dick an und wird dann nach unten immer dünner, bis er nur noch drei mickrige Strähnen hat. Der Zopf fällt ihm aber nicht gerade auf den Rücken, sondern kommt über seine Schulter gekrochen, um Guten Tag zu sagen. Verlaine sagt: Wir suchen einen Reithelm.
    Ich lege mir unauffällig den Pferdeschwanz über die Schulter und sehe mich um.
    Viel braunes Leder. Auf dem Fußboden Kübel voller Bürsten mit hellen Borsten. Manche Bürsten sind hart. Andere weich. Wieder andere mittel. Ich nehme eine weiche und toupiere mir damit den Pony. Boah, elektrisch.

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