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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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sich wahnsinnig komisch.
    Wir unterhielten uns noch eine Weile. Ich stellte viele Fragen. Sie waren alle dumm. Schließlich stellte ich die alles entscheidende, ganz und gar nicht dumme Frage: Wie kannst du schon wieder nach England fliegen, obwohl es uns letztes Mal ermorden wollte.
    Mein Dad griff über die Rückenlehne des Sofas und strich mir den Pony aus dem Gesicht. Seine Hand war warm und trocken. Niemand wollte uns ermorden, Audrey.
    Ich glaube doch.
    Ich muss Onkel Thoby helfen, sagte er. Und damit basta.
     
    Am Abend vor seiner Abreise kam Verlaine zum Essen. Sie spießte Babykartoffeln auf ihre Gabel und verschlang sie mit Haut und Haaren, während mein Dad sie in die Geheimnisse unseres Hauses einweihte. Er erzählte ihr von der Trockenpumpe. Er erklärte ihr den Nordwestschubs. Audrey weiß, wie er geht. Dann sagte er: Wedges Futter …
    Ich trat ihn unter dem Tisch. Welches Futter darf ich dir zum Dessert anbieten, verbesserte ich. Wir haben nur Eis cremesandwiches, also sag die.
    Die, sagte Verlaine.
    Ich öffnete das Gefrierfach. Shirley stemmte die Arme in die Hüften und hielt das Fenster einen Spaltbreit offen.
    Mein Dad erklärte Verlaine meinen Tagesablauf. Ehrlich gesagt, hat Audrey im Sommer keinen geregelten Tagesablauf. Sie muss lediglich um Punkt zehn Uhr ins Bett.
    Ich schreibe eine Biografie, sagte ich und warf das Dessert auf den Tisch. Vormittags. Das ist mein Tagesablauf.
    Ach ja. Audrey schreibt eine Biografie über unseren Nachbarn, sagte mein Dad. Vormittags.
    Verlaine packte ihr Eiscremesandwich aus. Eine Biografie über euren Nachbarn.
    Mh-hm.
    Wie interessant.
    Er weiß aber nicht, dass ich seine Biografin bin, sagte ich. Also kein Wort darüber, okay.
    Verlaine versiegelte ihre Lippen.
    Jetzt war es an der Zeit, sich ihren Tagesablauf anzuhören, in den ich, Audrey, eingebunden werden sollte. Na prima. Ich faltete das Schokoladendach meines Eiscremesandwiches zu einem Fächer. Dann aß ich ein Fächersegment nach dem anderen.
    Da sei einmal das Obacht-Gebäude. Und dann natürlich das Pferd.
    Ich wusste doch, dass die Sache einen Pferdefuß hatte.
    Ob es mir etwas ausmachen würde, jeden Tag zum Stall hinauszufahren und mich ein, zwei Stunden um das Pferd zu kümmern.
    Ich sah meinen Dad an, als ob ich sagen wollte: Das klingt aber ziemlich gefährlich, findest du nicht.
    Ähm.
    Du hast Eis da und da, sagte er und zeigte mit dem Finger.
    Ich wischte mir den Mund an meiner Schulter ab. Wie heißt dein Pferd, fragte ich.
    Rambo. Worüber mein Dad lachen musste. Also lachte ich auch.
     
    Am nächsten Tag standen Verlaine und ich hinter dem Maschendrahtzaun am Flughafen und winkten dem Flugzeug von meinem Dad. Mein Dad hatte versprochen, mit einem hellen, weißen Gegenstand wie der Kotztüte zurückzuwinken. Also winkte er mit der Kotztüte.
    Aber versprich mir, dass du sie nicht brauchst.
    Keine Angst.
    Ich hatte ihm eine Geheimbotschaft ins Handgepäck gelegt, in der stand: Liebes Flugzeug. Nicht abstürzen. Ich hab dich lieb.
    Ein kleines Auto schob das Flugzeug aus dem Gate, weil Flugzeuge nicht rückwärtsfahren können, was mir ein schwerwiegender Konstruktionsfehler zu sein scheint, aber was weiß ich schon. Das Auto war viel zu klein, um eine so fette Taube wie dieses Flugzeug anzuschieben. Ich hielt nach den Piloten Ausschau, aber im Cockpit war es dunkel. Mit Kotztüten winkten sie jedenfalls nicht.
    Mir war kotzübel. Mein Dad flog ohne mich. Ich kletterte am Zaun hoch, und Verlaine hielt mich an meinem T-Shirt fest. Sie zog zwar nicht, aber ihr Griff sagte: Bis hierher und nicht weiter. Ich steckte Hände und Zehen durch den Zaun. Klammerte mich fest. Der Wind war flatterig.
    Das Flugzeug rollte auf seinen dürren Taubenbeinchen langsam über die Rollbahn. Ich ließ mit einer Hand los und winkte, aber niemand winkte zurück. Er sitzt auf der anderen Seite, sagte Verlaine. Warte, bis die Maschine wendet.
    Tauben können nicht richtig fliegen. Zumindest die Tauben, die ich kenne. Sie bleiben höchstens eine Minute in der Luft und fallen dann wieder herunter. Und dann sind sie eine Stunde aus der Puste.
    Am Ende der Rollbahn wendete das Flugzeug. Es stand eine Weile da und sammelte seine Gedanken. Dann gürtete es die Lenden.
    Jetzt konnte ich ihn winken sehen. Etwas Weißes blitzte im vierzehnten Oval.
    Dad!
    Ich sprang vom Zaun und winkte. Riesengroß. Mit beiden Armen.
    Verlaine winkte auch.
    Die Lenden gürteten immer lauter. Das Flugzeug setzte sich in Bewegung. Immer

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