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Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman

Titel: Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green , Sophie Zeitz
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das Mädchen küssen müsste. Er hatte zu diesem Thema sogar eine Theorie aufgestellt, die er die Theorie zur Minimierung des Zurückweisungsrisikos nannte (MZR):
    Da der Akt des In-den-Arm-Nehmens und Küssens ein erhöhtes Risiko der Zurückweisung birgt, sollte derjenige Teilnehmer beim Küssen die Initiative übernehmen, bei dem die Gefahr des Zurückgewiesenwerdens am geringsten ist. Und dieser Teilnehmer ist, zumindest in heterosexuellen Teenagerbeziehungen, ganz eindeutig das Mädchen. Denn: Jungs wollen grundsätzlich Mädchen küssen. Jungs wollen rumknutschen. Immer. Mal von Ausnahmefällen wie Hassan abgesehen, denkt ein Junge eigentlich nie: »Mhm, heute habe ich keine Lust darauf, ein Mädchen zu küssen.« Dass ein Typ nicht ans Knutschen denkt, passiert höchstens vielleicht, wenn ihm buchstäblich das Wasser bis zum Hals steht. Aber das war’s auch schon. Mädchen dagegen sind eher wankelmütig, was das Knutschen angeht. Manchmal wollen sie; manchmal nicht. Mädchen sind eine uneinnehmbare Festung der Ungewissheit.
    Woraus folgt: Mädchen sollten den ersten Schritt machen, weil (a) ihr Risiko zurückgewiesen zu werden im Großen und Ganzen geringer ist als das der Jungs und (b) sie auf diese Weise nie geküsst werden, wenn sie nicht geküsst werden wollen.
    Zu Colins Unglück hatte Küssen jedoch nichts mit Logik zu tun, und deswegen war seine Theorie nicht praktikabel. Weil er aber immer so unglaublich lange wartete, bis er ein Mädchen küsste, wurde er wenigstens selten zurückgewiesen.
    Am Freitag nach der Schule rief er die zukünftige Katherine XIX. an und fragte, ob sie am nächsten Tag mit ihm Kaffee trinken würde, und sie sagte Ja. Es war dasselbe Café, in dem sie sich die ersten beiden Male getroffen hatten – zwei in jeder Beziehung angenehme Ereignisse mit gerade so viel sexueller Spannung, dass die zufälligen Berührungen ihrer Hand ihn unweigerlich anturnten. Eigentlich legte er die Hände nur deshalb auf den Tisch, damit sie in ihrer Reichweite waren.
    Das Café war ein ganzes Stück entfernt von der Gegend, wo Katherine wohnte, dafür war es bei Colin gleich um die Ecke. Es hieß Café Sel Marie, und man bekam den besten Kaffee in ganz Chicago, was Colin relativ egal war, weil er keinen Kaffee trank. Er mochte Kaffee als Idee – ein warmes Getränk, das Energie spendete und seit Jahrhunderten für Kultiviertheit und intellektuelles Leben stand. Allerdings fand er, dass Kaffee schmeckte wie mit Koffein versetzte Galle. Also vermied er den unglückseligen Geschmack, indem er seinen Gourmet-Kaffee in Kaffeesahne ertränkte, weswegen ihn Katherine den ganzen Nachmittag lang neckte. Natürlich trank sie ihren Kaffee schwarz. Alle Katherines tranken ihren Kaffee schwarz. Katherines mochten ihren Kaffee so, wie sie ihre Exfreunde mögen: bitter und unbekömmlich.
    Ein paar Stunden später, nach insgesamt vier Tassen Kaffee, erzählte sie ihm von einem Film, den sie ihm auf DVD zeigen wollte. » Die Royal Tenenbaums «, sagte sie. »Eine ganze Familie voller Wunderkinder.«
    Und so fuhren Colin und Katherine mit der U-Bahn in Richtung Wrigleyville und gingen fünf Blocks zu Fuß zu dem schmalen, zweistöckigen Haus, in dem Katherine mit ihren Eltern wohnte. Katherine führte ihn in den Keller. Es war ein feuchter, muffiger Raum, mit welligem Linoleum ausgelegt und mit ein paar alten Sofas möbliert. Fenster gab es nicht, und die Decke war niedrig, 1,90 m zu Colins 1,86 m. Alles in allem kein schönes Zimmer, doch als Kino war es hervorragend geeignet. Es war so dunkel, dass man einfach in die Couch sinken und im Film verschwinden konnte.
    Colin mochte den Film, jedenfalls lachte er viel, und es tröstete ihn, eine Welt zu sehen, in der alle Wunderkinder zu schillernden, einzigartigen Erwachsenen heranwuchsen (selbst wenn sie vollkommen durchgeknallt waren). Nach dem Film saßen Katherine und Colin zusammen im Dunkeln. Katherines Keller war der dunkelste Ort, den Colin je gesehen hatte. Denn in Chicago war jeder Raum, der Fenster hatte, Tag und Nacht von orangegrauem Licht erfüllt.
    »Mir hat der Soundtrack gefallen«, sagte Katherine. »Coole Musik.«
    »Mir auch«, sagte Colin. »Und die Figuren. Selbst der schreckliche Vater war irgendwie gut.«
    »Stimmt, fand ich auch«, sagte Katherine. Er konnte das Schimmern ihres blonden Haars und die Umrisse ihres Gesichts erahnen, sonst war alles schwarz. Seine Hand, die seit etwa dreißig Minuten nach Anfang des Films ihre Hand hielt, war

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