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Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman

Titel: Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green , Sophie Zeitz
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beobachtete ihn noch eine halbe Stunde lang, bis ihre Eltern ins Wohnzimmer kamen, um sie mit nach Hause zu nehmen. Doch schon nach wenigen weiteren Katherines würde er mit nostalgischen Gefühlen an Katherine die Große zurückdenken, den Archetypus des Katherine-Phänomens. Ihre Drei-Minuten-Beziehung war das Ding an sich, in seiner reinsten Form. Es war der unveränderliche Tango des Sitzenlassers und des Sitzengelassenen: das Kommen und das Sehen und das Siegen und das Heimkehren.

Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
     
     
    [8]    Wenn du dein ganzes Leben in und um Chicago verbringst, stellst du irgendwann fest, dass du versäumt hast, bestimmte Aspekte des Landlebens in ihrem vollen Ausmaß zu begreifen. Zum Beispiel die Sache mit dem Hahn. Für Colin war der Hahnenschrei am Morgen nicht mehr als ein Motiv, das in Büchern und Filmen vorkam. Wenn ein Autor wollte, dass seine Hauptfigur bei Tagesanbruch aufwachte, dachte sich Colin, griff er einfach zur altbewährten literarischen Figur des krähenden Hahns. Es war das Gleiche wie bei all den anderen Dingen, die Autoren einfach erfanden, die aber in Wirklichkeit nie so passierten. Autoren erzählen einem auch nie die ganze Geschichte, sondern kommen einfach auf den für sie entscheidenden Punkt. Doch Colin fand, die ganze Wahrheit war genauso wichtig wie der einzelne Punkt, und deshalb, so folgerte er, war er auch kein guter Geschichtenerzähler.
    An diesem Morgen fand er heraus, dass Hähne in Wirklichkeit nicht bei Tagesanbruch krähen. Sie fangen viel früher damit an – etwa gegen vier. Colin rollte sich in seinem fremden Bett herum, und für ein paar flüchtige Sekunden, in denen er in die Dunkelheit blinzelte, ging es ihm gut. Er war müde und genervt von dem Gekrähe, aber es ging ihm gut. Doch dann erinnerte er sich, dass sie ihn sitzen gelassen hatte, und er stellte sich vor, wie sie in ihrem großen weichen Bett lag und schlief – und nicht von ihm träumte. Er rollte sich auf die andere Seite und warf einen Blick auf sein Telefon. Keine Anrufe in Abwesenheit.
    Der Hahn krähte wieder. »Halt den Schnabel, du Blödmann«, murmelte Colin. Doch der Hahn krähte weiter, und bei Tagesanbruch entstand eine schräge Symphonie, als der Hahn mit den gedämpften Klängen des islamischen Morgengebets wetteiferte. Die Stunden des unverschlafbaren Konzerts verschafften Colin reichlich Zeit zum Grübeln, angefangen bei der Frage, wann Katherine das letzte Mal an ihn gedacht hatte, bis zur Anzahl der orthographisch korrekten Anagramme von Hahnenschrei . 38
    Gegen sieben, als Sir Hähnchen die vierte Stunde seines Dauerkrähens einläutete (oder vielleicht waren es mehrere Hähne, und sie krähten im Schichtdienst), wankte Colin ins Bad, das er sich mit Hassan teilte. Hassan stand bereits unter der Dusche (bei allem Luxus, eine Badewanne gab es nicht).
    »Morgen, Hassan.«
    »Hallo«, rief Hassan unter dem rauschenden Wasser. »Mann, stell dir vor, Hollis schläft im Wohnzimmer auf der Couch, und der Homeshopping-Kanal läuft noch. Sie hat eine Milliarden-Dollar-Villa und schläft auf der Couch.«
    »Biefe Leupe sind komisch«, sagte Colin, der mitten im Satz die Zahnbürste aus dem Mund zog.
    »Jedenfalls fährt Hollis total auf mich ab. Sie denkt, ich bringe die Sterne zum Leuchten. Und sie findet, du bist ein Genie. Und bei fünfhundert Dollar die Woche muss ich nie wieder arbeiten. Fünfhundert Dollar reichen mir zu Hause fünf Monate, Mann. So könnte ich mich über Wasser halten, bis ich dreißig bin.«
    »Dein Mangel an Ehrgeiz ist wirklich beeindruckend.«
    Hassan streckte den Arm hinter dem Duschvorhang vor und griff nach einem mit dem Monogramm HLW bestickten Handtuch. Wenige Augenblicke später tauchte er aus der Dusche auf und schlenderte mit dem Handtuch um seine mächtigen Hüften in Colins Zimmer.
    »Hör mal, Kafir, ganz im Ernst. Hör auf, mir mit der Uni auf den Sack zu gehen. Lass mich glücklich sein; und ich lass dich glücklich sein. Aufeinander rumhacken ist schön und gut, aber alles hat seine Grenzen.«
    »Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass wir schon an der Grenze sind.« Colin saß auf dem Bett und zog sich das KranialKidz-T-Shirt über, das er bekommen hatte.
    »Du reitest seit genau 284 Tagen darauf herum.«
    »Vielleicht sollten wir darüber reden«, sagte Colin. »Ich meine, wo die Grenze ist. Wir können ein Codewort ausmachen, damit wir wissen, wo wir zu weit gegangen sind und uns

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