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Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman

Titel: Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green , Sophie Zeitz
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Königsnatter abgeknallt hatte. Aber dann stellt sich raus, dass Jake die Schlange war und dass sie Jake geliebt hat wie ein Kind, das sie nie hatte. Hat nämlich nie geheiratet, verständlicherweise. War hässlicher als die Sünde, Gott segne ihre arme Seele.«
    »Der Schlange war es wahrscheinlich egal, dass sie hässlich war«, sagte Colin. »Schlangen haben schlechte Augen.«
    Starnes warf Lindsey Lee Wells einen Blick zu. »Dein Freund hier ist ja ein wahrer Quell des Wissens.«
    »So viel steht fest«, bestätigte Lindsey.
    »Wovon hab ich gerade gesprochen?«, fragte Starnes.
    »Gutshot. Boxen. Die alten Zeiten«, gab Colin das Stichwort.
    »Ach ja, richtig. Damals, bevor das Werk aufgemacht hat und sich die Familien hier ansiedelten, war das hier ein Nest voller Rabauken. Meine Mutter sagt, dass die Stadt noch nicht mal einen Namen hatte. Aber dann haben sie die Boxer hergeholt. Aus dem ganzen Land kamen die Kerls hierher, und sie boxten für fünf oder zehn Dollar, der Sieger kriegt alles, und sie holten zusätzlich was raus, indem sie Wetten auf sich selber abschlossen. Um das Boxverbot zu umgehen, stellten sie eine Regel auf: Man durfte nicht unter die Gürtellinie und nicht oberhalb der Schultern treffen, nur gut-shot – jeder Schlag direkt in den Bauch. Dafür ist die Stadt berühmt geworden, und daher haben wir unsern Namen.«
    Colin wischte sich mit dem verschwitzten Handrücken über die verschwitzte Stirn, wobei er die Feuchtigkeit eher verteilte, statt sie loszuwerden, und trank mehrere Schlucke Tee.
    »1944 haben Mary und ich geheiratet«, fuhr Starnes fort, »als ich eingezogen werden sollte.« Colin dachte, Starnes hätte in Dr. Holtsclaws Englischkurs noch etwas lernen können, seinem Lehrer aus der elften Klasse, dessen Steckenpferd Überleitungen waren. Zugegeben, Colin konnte nicht gerade fesselnd erzählen, aber wenigstens hatte er schon mal von so was wie einer Überleitung gehört. Trotzdem machte es Spaß, Starnes’ Geschichten zuzuhören. »Na ja, aber dazu is es dann nicht gekommen, weil ich mir zwei Zehen weggeschossen habe, so ein Feigling war ich. Jetzt, als alter Mann kann ich ehrlich mit euch sein. Es war nicht der Krieg, vor dem ich Angst hatte, versteht ihr. Vor dem Krieg hab ich mich nie gefürchtet. Ich hatte nur keine Lust, den ganzen Weg nach Übersee gekarrt zu werden, um in einem zu kämpfen. Jedenfalls hatte ich meinen Ruf weg – hab so getan, als hätte ich mir aus Versehen in den Fuß geschossen, aber alle haben mich durchschaut. Den Ruf bin ich nie wieder losgeworden, aber jetzt sind sie fast alle tot, und von ihnen kriegt ihr keine Geschichten mehr zu hören, also bleibt euch nichts anderes übrig, als mir zu glauben: Die anderen waren genau solche Feiglinge. Das sind wir nämlich alle.
    Jedenfalls haben wir geheiratet, und weiß Gott, wir haben uns geliebt. Hab sie immer geliebt, bis zum bitteren Ende. Auch wenn sie mich nie besonders leiden konnte, geliebt haben wir uns ständig, wenn ihr wisst, was ich meine.« Colin sah Hassan an, der seinen Blick erwiderte, mit schreckgeweiteten Augen. Beide fürchteten, sie wussten genau, was Starnes meinte. »1997 ist sie gestorben. Herzanfall. In ihr war kein Gramm Böses und in mir kein Gramm Gutes, und trotzdem ist sie gestorben, und ich lebe immer noch.«
    Dann zeigte er ihnen alte Fotos. Sie drängten sich um seinen Sessel, während er mit runzligen Händen langsam durch ein Album voller Erinnerungen blätterte. Die ältesten Bilder waren blass und vergilbt, und Colin überlegte, warum alte Leute selbst auf Fotos aus ihrer Jugend immer alt aussahen. Dann wurden die Fotos allmählich schärfer und kontrastreicher und die faden Farben alter Polaroidfotos tauchten auf, während Kinder zur Welt kamen und größer wurden und Haare ausfielen und immer mehr Falten in den Gesichtern zu sehen waren. Und die ganze Zeit waren Starnes und Mary zusammen auf den Fotos, von ihrer Hochzeit bis zu ihrem fünfzigsten Hochzeitstag. So mache ich es auch , dachte Colin. Genau so. Mit ihr. Aber das ist nicht alles, beschloss er. Ich will der Welt mehr hinterlassen als nur ein Fotoalbum, in dem ich immer alt aussehe.
    Irgendwann waren die sechs Stunden vorbei, und Lindsey Lee Wells stand auf und sagte: »Wir müssen dann langsam mal, Starnes.«
    »Na gut«, sagte er. »Schön, dass ihr da wart. Lindsey, du bist eine Augenweide.«
    »Brauchst du eine Klimaanlage, mein Lieber? Es ist furchtbar heiß hier drin, und Hollis könnte dir problemlos

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