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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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darum gekümmert, diese Grabräuber zu jagen«, meinte Keira.
    »Sie haben ein hübsches Hinterteil und einen gewissen Charme, junge Frau, aber strapazieren Sie meine Gastfreundschaft nicht über die Maßen.«
    »Haben Sie Thornsten den Stein verkauft?«
    »Es war eine Kopie! Aber sein Auftraggeber hat nichts bemerkt. Da ich wusste, dass er nicht bezahlen würde, habe ich
es vorgezogen, ihm eine Reproduktion zu geben, die allerdings von sehr guter Qualität war. Nehmen Sie jetzt das Geld, gehen Sie damit ins Restaurant, und sagen Sie Thornsten, dass wir quitt sind.«
    »Und haben Sie das Original noch?«, fragte Keira und lächelte.
    Egorov musterte sie von oben bis unten, und sein Blick verweilte auf den Kurven ihres wohlgeformten Körpers, dann erwiderte er ihr Lächeln und erhob sich.
    »Da Sie den weiten Weg zurückgelegt haben, kommen Sie mit, ich zeige Ihnen, worum es sich handelt.«
    Er ging zu den Bücherregalen, die die Wände des Salons bedeckten, griff nach einer Lederschatulle, öffnete sie und stellte sie an ihren Platz zurück.
    »Das ist nicht die richtige, wo habe ich es bloß hingelegt?«
    Er sah in drei ähnliche Kästchen, dann in ein viertes und ein fünftes, aus dem er schließlich einen in ein Baumwolltuch gewickelten Gegenstand zog. Er öffnete das Band, mit dem es verschnürt war, zeigte uns die etwa zwanzig mal zwanzig Zentimeter große Steintafel, legte sie vorsichtig auf den Schreibtisch und bat uns, näher zu treten. In die patinierte Oberfläche war eine Schrift eingeritzt, die an Hieroglyphen erinnerte.
    »Das ist Sumerisch, dieser Stein ist über sechstausend Jahre alt. Thornstens Auftraggeber hätte besser daran getan, mich zu der Zeit zu bezahlen, als der Preis noch erschwinglich war. Vor dreißig Jahren hätte ich den Sarg des Sargon von Akkad für ein paar hundert Dollar verkauft. Heute ist dieser Stein von unschätzbarem Wert und paradoxerweise auch unverkäuflich, außer vielleicht an einen Privatmann, der ihn bei sich behält. Die Zeiten haben sich geändert, und solche Gegenstände sind nicht mehr frei im Umlauf. Der Antiquitätenschmuggel ist viel zu gefährlich geworden. Und wie ich schon sagte, bringt der
Handel mit Rohstoffen bei wesentlich weniger Risiken mehr ein.«
    »Was bedeutet diese Inschrift?«, fragte Keira, die von der Schönheit des Steins fasziniert war.
    »Nichts besonders Interessantes, vermutlich handelt es sich um ein Gedicht oder eine alte Legende. Doch der, der ihn kaufen wollte, schien dem Inhalt große Bedeutung beizumessen. Irgendwo muss ich die Übersetzung haben. Ah, da ist sie ja!«, erklärte er und zog ein Blatt aus der Schatulle.
    Er reichte es Keira, die es vorzulesen begann.
    » Einer Legende zufolge kennt jedes Kind im Mutterleib das Geheimnis der Schöpfung, von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende. Bei der Geburt beugt sich ein Bote über die Wiege und legt einen Finger auf seine Lippen, damit es nie das Geheimnis des Lebens, das ihm anvertraut wurde, preisgeben kann …«
    Wie hätte ich meine Überraschung verbergen können, als ich diese Worte hörte, die in meinem Kopf widerhallten und mich an eine abgebrochene Reise erinnerten. Ich hatte sie an Bord der Maschine gelesen, die von Athen nach China abflog, bevor ich das Bewusstsein verlor und wir umkehren mussten. Keira hatte ihre Lektüre unterbrochen und sah mich angesichts meiner Bestürzung beunruhigt an. Ich zog meine Brieftasche heraus, und entnahm ihr ein Blatt, das ich vor ihr entfaltete. Dann trug ich den Rest dieses eigenartigen Textes vor.
    » Diese Berührung löscht für immer sein Gedächtnis und hinterlässt ein Zeichen. Jene Kerbe, die alle über der Oberlippe haben, alle außer mir.
    Am Tag meiner Geburt hat der Bote vergessen, mich zu besuchen, und ich erinnere mich an alles.«
    Keira und Egorov starrten mich an, sie waren ebenso perplex wie ich selbst. Ich erklärte ihnen, unter welchen Umständen dieses Dokument in meinen Besitz gelangt war.
    »Dein Freund, Professor Ivory, hat es mir überbringen lassen, und zwar kurz vor meinem Aufbruch nach China, wo ich dich suchen wollte.«
    »Ivory? Was hat der denn damit zu tun?«
    »Aber das ist ja der Name dieses Dreckskerls, der nicht bezahlt hat!«, rief Egorov. »Ich dachte, der wäre inzwischen auch tot.«
    »Ist das eine Manie, dass Sie alle unter die Erde bringen wollen?«, gab Keira zurück. »Übrigens bezweifele ich, dass er irgendetwas mit Ihrem erbärmlichen Handel mit Grabräubergut zu tun hat.«
    »Ich habe Ihnen doch

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