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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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nachgehen.«
    Egorov griff nach Keiras Hand und bewegte sie langsam über die Karte.
    »Man-Pupu-Nyor«, sagte er und legte sie auf einen Punkt östlich des Urals und nördlich der Republik Komi. »Die Stätte der Sieben Riesen des Urals - dort haben Ihre Boten der Magistraten ihren letzten Halt gemacht.«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte Keira.
    »Weil das der Ort in Westsibirien ist, wo der Stein gefunden wurde. Ihre Nomaden sind nicht den Jenissei hinabgezogen,
und ihr Ziel war auch nicht die Karasee, sondern das Weiße Meer. Um es zu erreichen, war die Route über Norwegen kürzer und einfacher.«
    »Warum sagen Sie ›ihren letzten Halt‹?«
    »Weil ich allen Grund zu der Annahme habe, dass ihre Reise dort geendet hat. Was ich Ihnen jetzt anvertraue, haben wir noch niemandem enthüllt. Vor dreißig Jahren haben wir in dieser Region Grabungen vorgenommen. In Man-Pupu-Nyor, auf einem gewaltigen windgepeitschten Hochplateau, erheben sich sieben Steinsäulen von jeweils dreißig bis vierzig Meter Höhe. Sie ähneln riesigen Menhiren. Sechs bilden einen Halbkreis, der siebte scheint die sechs anderen zu betrachten.
    Die Sieben Riesen des Urals stellen ein Rätsel dar, das bis heute nicht gelöst wurde. Niemand weiß, warum sie dort sind, die Erosion kann nicht allein für eine solche Architektur verantwortlich sein. Die Stätte ist das russische Äquivalent von Ihrem Stonehenge, sieht man einmal davon ab, dass die Felsformationen sehr viel größer sind.«
    »Warum wurde nichts enthüllt?«
    »Es wird Ihnen befremdlich erscheinen, aber wir haben alles in den Zustand zurückversetzt, in dem wir den Ort vorgefunden hatten. Wir haben willentlich jede Spur unserer Ausgrabungen verwischt. Zu jener Zeit hatte die Partei nicht das geringste Interesse an unseren Arbeiten. Was wir ans Tageslicht gefördert haben, wäre von den inkompetenten Funktionären in Moskau total ignoriert worden. Im besten Fall wäre unsere außergewöhnliche Entdeckung ohne jegliche Analyse oder sachgerechte Lagerung archiviert worden. Sie wären in einfachen Kästen vergammelt und im Keller irgendeines Gebäudes vergessen worden.«
    »Und was haben Sie gefunden?«, wollte Keira wissen.
    »Menschliche Überreste aus dem vierten Jahrtausend, etwa
fünfzig mumifizierte Leichen, hervorragend im Eis konserviert. Und bei ihnen befand sich der sumerische Stein, versteckt in ihrem Grab. Die Menschen, deren Spuren Sie nachgehen, wurden Gefangene von Kälte und Schnee und sind verhungert.«
    Aufgeregt wandte sich Keira zu mir um.
    »Das ist eine unglaublich wichtige Entdeckung! Niemand hat jemals beweisen können, dass die Sumerer so weit gereist sind! Hätten Sie Ihre Arbeiten mit derartigen Beweisen veröffentlicht, wären Sie von der internationalen wissenschaftlichen Welt bejubelt worden.«
    »Sie sind charmant, aber viel zu jung, um zu wissen, wovon Sie reden. Hätte diese Entdeckung die geringste Resonanz bei unseren Vorgesetzten gefunden, wären wir auf der Stelle in den Gulag deportiert und unsere Arbeiten den Apparatschiks der Partei zugeschrieben worden. Das Wort ›international‹ existierte in der Sowjetunion nicht.«
    »Und deshalb haben Sie alles wieder zugedeckt?«
    »Was hätten Sie an unserer Stelle getan?«
    »Fast alles wieder zugedeckt …, wenn ich mir erlauben darf«, schaltete ich mich jetzt ein. »Ich nehme doch an, dieser Stein war nicht der einzige Gegenstand, den Sie mitgenommen haben.«
    Egorov bedachte mich mit einem vernichtenden Blick.
    »Es gab auch ein paar persönliche Sachen, die unseren Reisenden gehört haben. Wir haben nur wenig davon behalten, wichtig war, dass jeder von uns möglichst unbemerkt blieb.«
    »Adrian«, sagte Keira, »wenn die Reise der Sumerer unter diesen Umständen geendet hat, befindet sich das Fragment irgendwo auf dem Ma-Pupu-Nyor-Plateau.«
    »Man-Pupu-Nyor«, korrigierte Egorov, »aber Sie können auch Manpupuner sagen, so wird der Name in der westlichen Welt ausgesprochen. Von welchem Fragment sprachen Sie?«

    Keira sah mich an, und ohne die Antwort auf eine Frage, die sie mir nicht gestellt hatte, abzuwarten, nahm sie ihre Kette ab, zeigte Egorov ihren Anhänger und erzählte ihm fast alles von der Suche, die wir unternommen hatten.
    Begeistert von unserem Bericht, lud uns Egorov zum Essen ein, und als sich der Abend in die Länge zog, bot er uns auch ein Gästezimmer für die Nacht an.
     
    Während des Abendessens, serviert in einem Raum von der Größe eines Badmintonfelds, bombardierte

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