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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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merkte, daß sie vom Koreakrieg sprach. Dann sang sie eine Strophe von „Black is the color of my true love's hair", und er wußte nicht, was er tun sollte.
    Er saß an ihrem Bett und versuchte, sie zu beruhigen, aber sie wollte sich nicht beruhigen lassen. Sie plapperte von Mary und den Gardinen in den Schlafzimmern im zweiten Stock, von Thorsen, Veilchen, einem toten Hund - und wer hatte ihr die Kinder weggenommen? Er bekam es mit der Angst zu tun und war nahe daran, in Tränen auszubrechen. Er klingelte nach der Schwester, und als keine kam, eilte er aus dem Zimmer und holte die erstbeste, die er traf, fast mit Gewalt herein.
    Barbara plapperte noch immer vor sich hin; mit geschlossenen Augen, den Anflug eines Lächelns auf den Lippen, lag sie da. Voller Angst wartete er, allein, denn die Schwester war hinausgegangen, um auf der Karteikarte nachzusehen, welche Medikamente die Kranke bekam. Worte wie Lombard und Honey Bunch fing er auf, und plötzlich: „Ich brauche hundert Dollar", Eddie und Liza, das Karussell im Central Park, sie beschrieb es und lachte dabei, und die bunten Pferdchen drehten sich und drehten sich, bis schließlich die Schwester zurückkam, eine Spritze aufzog und Barbara eine Injektion in den Unterarm gab: Wenige Augenblicke später war sie ruhig und schlief ein.
    „Was ist denn bloß mit ihr passiert?" entfuhr es Delaney. „Was war das?"
    „Sie war ein bißchen durcheinander." Die Schwester lächelte mechanisch. „Jetzt ist alles wieder in Ordnung. Sie sehen ja, sie schläft ganz friedlich."
    „Friedlich", sagte der Captain.
    „Friedlich", wiederholte die Schwester gehorsam. „Falls Sie irgendwelche Fragen haben, wenden Sie sich bitte morgen früh an den Arzt."
    Sie marschierte hinaus. Delaney starrte ihr nach und überlegte, ob der Wahnsinn in der Welt denn nie ein Ende nehmen würde. Er wandte sich wieder dem Bett zu. Barbara schlief anscheinend wirklich friedlich. Er fühlte sich schrecklich hilflos und war doch wütend.
    Es war noch nicht sieben; erst dann sollte er Thorsen anrufen. Er ging zu Fuß nach Hause, legte Hut und Mantel ab und genehmigte sich zwei Whisky pur. Allmählich beruhigte er sich. Barbara...
    Stumpfsinnig saß er da, trank seinen Whisky und wartete, daß es sieben Uhr wurde. Dann rief er bei Thorsen an. Der Rückruf ließ nicht lange auf sich warten.
    „Edward?"
    „Ja."
    „Etwas Wichtiges?"
    „Ich glaube ja. Können Sie Johnson erreichen?"
    „Er ist gerade hier."
    Delaney fiel der veränderte Tonfall auf, Thorsens Stimme war angespannt, drängend.
    „Ich muß mit Ihnen sprechen", sagte der Captain. „Je eher desto besser."
    „Wollen Sie gleich kommen?"
    „Zu Ihnen ins Büro oder nach Hause?"
    „Nach Hause."
    „Ich nehme ein Taxi", sagte Captain Delaney. „In ungefähr zwanzig Minuten bin ich da..."
    Er legte auf und schimpfte laut vor sich hin: „Ihr könnt mich alle mal!" Trotzdem ging er in die Küche, suchte und fand eine Plastiktüte, in der er die drei Hämmer sowie das Fläschchen mit dem Maschinenöl verstaute - sein „Beweismaterial". Dann machte er sich auf den Weg.
    Mrs. Thorsen, eine große silberblonde, auffallend hagere Frau mit wunderschönen veilchenblauen Augen machte ihm die Tür auf. Sie fragte nach Barbara und wie es ihr ginge. Er brummelte irgend etwas.

    „Die Herren sind im Wohnzimmer - Sie kennen sich ja aus."
    Dort waren drei Männer versammelt — sie alle saßen. Thorsen und Inspector Johnson erhoben sich und reichten ihm die Hand. Der dritte blieb sitzen; niemand machte Anstalten, ihn vorzustellen.
    Der Mann war klein und gedrungen, von dunkler Hautfarbe und hatte einen gewaltigen Schnurrbart. Seine Hände lagen flach auf den Knien — die Haltung hatte etwas Steinernes. Nur die dunklen Augen bewegten sich, schossen neugierig hin und her und verrieten eine lebhafte Intelligenz.
    Erst als Delaney selbst Platz genommen hatte, ging ihm auf, wer er war; Herman Alinski, der Stellvertretende Bürgermeister, ein undurchsichtiger, publicityscheuer Politiker, von dem es hieß, er sei der Mann, der die Hauptarbeit mache, und einer der engsten Vertrauten des Bürgermeisters. In der Times hatte es einmal über ihn geheißen: „Seine Hauptbeschäftigung scheint im Zuhören zu bestehen, und jeder, der ihn kennt, ist der Meinung, daß er das wirklich vortrefflich versteht."
    „Ein Drink, Edward?" fragte Thorsen. „Whisky-Soda?"
    Delaney sah sich um. Thorsen und Johnson hielten Gläser in der Hand, Alinski nicht.
    „Noch nicht,

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