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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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— führt daneben noch ein heimliches Leben, über das selten gesprochen und das so gut wie nie enthüllt wird. Und dieses heimliche Leben ist für jeden von uns erfüllt von wilden Phantasievorstellungen, unerhörten Begierden und erstickenden Lüsten. Denen nur deshalb etwas Schimpfliches innewohnt, weil man es uns so beigebracht hat.
    Denn ich glaube, jeder von uns ist insgeheim eine Insel ('Kein Mensch ist eine Insel'? So ein Quatsch!), und auch die tiefste und brennendste Liebe vermag den Abgrund, der zwischen den Menschen klafft, nicht zu überbrücken. Vieles von dem, was wir träumen und empfinden und über das wir zu anderen nicht sprechen können, ist, gemessen an dem, was die Gesellschaft meint, was wir empfinden und träumen sollen, verrucht. Da aber die Menschen dazu imstande sind — wie kann es da verrucht sein? Handelt doch lieber so, wie eure Natur es von euch verlangt. Ob es nun in den Himmel führt oder in die Hölle - und was bedeutet das: 'Himmel', 'Hölle'? -, die schlimmste Sünde ist, es nicht wahrhaben zu wollen. Das ist unmenschlich.
    Als ich mit dem Mädchen im College schlief und später mit meiner Frau und all den anderen dazwischen, fand ich das aufregend und angenehm und ganz natürlich. Immerhin so befriedigend, um über das Grunzen, Stöhnen, Furzen, Rülpsen, den schlechten Atem und das Blut und... und andere Dinge hinwegzusehen. Wenige Augenblicke später war ich jedoch schon wieder bei den Halbedelsteinen, die ich sammelte, oder der Programmierung von AMROK II. Zu masturbieren hatte mir genausoviel Spaß gemacht, und ich fragte mich, wieviel von dem sogenannten 'normalen Geschlechtsverkehr' nicht im Grunde Masturbation zu zweit ist. All das Gestöhn, diese Liebesschwüre bilden das 'öffentliche Gesicht'; die heimlichen Reaktionen werden vor dem Partner verborgen. Einmal schlief ich mit einer Frau, und die ganze Zeit über dachte ich an - nun, an jemand, den ich mal in dem Fitness-Club gesehen hatte. Weiß der Himmel, woran sie dachte. Inselexistenz.
    Celia Montfort war die intelligenteste Frau, die ich jemals kennengelernt hatte. Viel intelligenter als ich übrigens, obwohl ich meine, daß ihr meine Sensibilität und mein Einfühlungsvermögen fehlten. Aber sie war eine komplexe Persönlichkeit, einer solchen Frau war ich bisher noch nie begegnet. Oder vielleicht doch - nur hatte ich die Komplexität nicht ertragen können. Wohingegen sie mich im Fall von Celia anzog, mich faszinierte, mich verwirrte - eine Zeitlang.
    Ich war mir nicht sicher, was sie von mir wollte oder ob sie überhaupt etwas von mir wollte. Ich genoß ihre dozierenden Reden, das Spiel ihrer Gedanken, doch hätte ich nie eindeutig sagen können, wer sie war. Einmal, als ich sie anrief, um mich mit ihr zum Abendessen zu verabreden, sagte sie: 'Da ist etwas, um das ich dich bitten möchte.'
    'Ja?' sagte ich
    Es folgte eine Pause.
    'Ich werde dich heute abend darum bitten', sagte sie schließlich. 'Beim Essen.'
    Also fragte ich sie beim Essen: 'Um was wolltest du mich bitten!?'
    Sie sah mich an und sagte: 'Ich glaube, ich tu's lieber schriftlich. Ich werde dir einen Brief schreiben und dich darum bitten.'
    Aber natürlich schrieb sie mir nie einen Brief und sagte mir auch nicht, was sie von mir wollte. So war sie. In gewisser Weise war es zum Wahnsinnigwerden, bis ich anfing zu begreifen...
    Zu begreifen, daß sie genauso unergründlich und verquält war wie ich, und wie ich das Opfer plötzlicher Launen, wahnsinniger Leidenschaften, wirrer Sehnsüchte und irrer Träume... was immer man will. Irrational, nehme ich an, könnte man es wohl nennen. Wenn ich mir nichts vormachte - und es ist außerordentlich schwer, sich selbst nichts vorzumachen —, mußte ich erkennen, daß manches von meiner Feindseligkeit ihr gegenüber - und ich erkannte, daß ich anfing, eine gewisse feindselige Haltung ihr gegenüber einzunehmen, weil sie Bescheid wußte -, nun, es lag zum Teil daran, daß ich ein Mann war und sie eine Frau. Ich gehöre nicht gerade zu den Bewunderern der Frauenbewegung, muß jedoch zugeben, daß die Menschen Opfer von manchmal schwer zu erkennenden und durchschauenden Umwelteinflüssen sind.
    Sobald ich jedoch aufhörte, mir etwas vorzumachen, mich selbst zu belügen, konnte ich auch zugeben, daß sie mich deshalb verwirrte, weil sie selbst ein heimliches Leben lebte, mir an Intelligenz überlegen war und, wenn sie wollte, sexuell viel stärker empfand als ich.
    Das konnte ich erkennen und mir eingestehen;

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