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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Zentimeter.
    „Das ist ja großartig", sagte Delaney, „wirklich großartig."
    „Das Beste aber ist dies", sagte Case und zeigte auf einen Stahlarm, der so angebracht war, daß er vom Turngerät nach außen geschwenkt werden konnte. „Ich hab mich mit den Leuten, die das Ding zusammengebaut haben, unterhalten, das ist eine Firma, die sich auf solche Geräte spezialisiert hat. Es gibt da beispielsweise einen Rollstuhl mit eingebautem Topf. Man kann damit herumfahren - man ist beweglich! Ich bin viel zu schwer, als daß Ev mich je in diesen Rollstuhl heben könnte, aber wenn ich meine Körperkraft einigermaßen wiedererlange, könnte ich mich, indem ich dieses Rohr ausschwenke, aus eigener Kraft auf den Rollstuhl schwingen und auch wieder zurück. Ich weiß, daß ich das schaffen werde. Meine Arm- und Schultermuskeln waren immer Klasse. Ich hab oft genug nur an meinen Händen gehangen und mich dann heraufziehen müssen."

    „Das klingt phantastisch", sagte Delaney bewundernd. „Aber übertreiben Sie's nicht. Ich meine, fangen Sie langsam an. Bauen Sie Ihre Kraft nach und nach wieder auf."
    „Übrigens", sagte Case, „geht es mit den Kassenbelegen wesentlich schneller, als ich angenommen hatte."
    „Oh, das höre ich natürlich gern. Könnten wir uns ein paar Minuten unterhalten? Nicht über Kassenbelege, sondern über etwas anderes? Strengt Sie das auch nicht zu sehr an?"
    „Aber nein. Ich fühle mich großartig. Liebling, schieb doch bitte einen Stuhl für den Captain ran."
    „Ich hol ihn mir schon", sagte Delaney und trug den Schreibtischstuhl ans Bett und setzte sich so, daß er Case ins Gesicht sehen konnte.
    „Einen Drink, Captain?"
    „Ja gern. Mit Wasser, bitte."
    Evelyn Case ging hinaus in die Küche. Die beiden Männer saßen einen Moment schweigend da.
    „Worum geht es denn?" fragte Case schließlich.
    „Um Bergsteiger."
    Zu Hause setzte sich Captain Delaney gleich an seinen Schreibtisch und vervollständigte seine „Liste" mit den Auskünften, die er von Calvin Case über Bergsteiger bekommen hatte; jetzt hatte er alles noch frisch im Gedächtnis.
    Unter „Körperliche Merkmale" notierte er Stichworte über Flexibilität, Reichweite und Kraft der Arme und Schultern, Brustumfang und Widerstandskraft gegen Angstzustände. Zwar hatte Case gesagt, unter Bergsteigern fände man Menschen jeder Größe, jeder Statur, doch hatte er das im Lauf des Gesprächs eingeschränkt, und Delaney war bereit, nach der Wahrscheinlichkeit zu gehen.

    Unter „Psychische Merkmale" gab es eine ganze Menge nachzutragen: Vorliebe für das Leben im Freien, größte Risikofreudigkeit, die fast schon eine Sucht war, diszipliniertes Denken, keinerlei erkennbare Neigung, Selbstmord zu begehen, totaler Egoismus, das Bedürfnis - wie hatte Case es ausgedrückt? - vorzustoßen bis „an den Rand des Lebens", wo zwischen Leben und Tod nichts weiter stand als die eigene Kraft und Geistesgegenwart. Und schließlich ein tiefreligiöses Gefühl, eins zu werden mit dem All -„eins mit allem". Verglichen damit, war alles andere „reine Schwärmerei".
    Unter „Zusätzliches" notierte er: „Vermutlich mäßiger Trinker", „nimmt keine Drogen" und „Geschlechtsverkehr nach dem Mord wahrscheinlich, aber nicht vorher".
    Er las die Aufstellung immer und immer wieder, überlegte, was er möglicherweise vergessen hatte, doch ihm fiel nichts ein. Der „Tatverdächtige" trat allmählich aus dem Dunkel hervor, ragte bedrohlich auf. Delaney fing an, Zugang zu diesem Menschen zu finden, zu ahnen, was er war, was er wollte und weshalb er tun mußte, was er tat. Noch war er ein Schatten, ein nebelhaftes Gebilde, doch die Umrisse waren bereits deutlich zu erkennen. Er fing an zu existieren: auf dem Papier und in Delaneys Kopf. Der Captain hatte eine ziemlich genaue Vorstellung von ihm, wie er aussah, und glaubte zu ahnen, was sich im Geist dieses Irren abspielte. „Das arme, beschissene Schwein", sagte Delaney laut vor sich hin. Doch dann schüttelte er erbost den Kopf und fragte sich, was ihn bewog, irgendwelches Mitleid mit diesem Unhold zu haben.
    Es war beinahe ein Uhr früh, und er saß noch immer am Schreibtisch, als das Telefon klingelte. Er ließ es dreimal klingeln, denn er wußte - er wußte es einfach - , was dieser Anruf zu bedeuten hatte. Und er fürchtete sich davor. Endlich nahm er den Hörer auf.
    „Ja?" sagte er vorsichtig.
    „Captain Delaney?" „Ja."
    „Hier Dorfman. Noch einer."
    Delaney holte tief Luft, legte den Kopf

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