Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
Mörder."
    Es sah sie unverwandt an; langsam ging ihm die Bedeutung dessen auf, was sie da gesagt hatte. Gewiß, vielleicht hatte es nichts zu sagen, vielleicht aber doch. Er beugte sich vor und küßte sie sanft auf die Wange.
    „Du bist wirklich wunderbar", flüsterte er. „Was sollte ich ohne dich anfangen?"
    Als er wieder in seinem Arbeitszimmer war, einen Whisky-Soda in der Hand, dachte er ständig über das nach, was seine Frau gesagt hatte.
    Es war für einen psychopathischen Mörder zweifellos nicht ungewöhnlich, wenn er vor der Tat sexuell nicht interessiert (oder gar impotent) war, dann jedoch, bei der Tat selbst oder danach, zu einem hemmungslosen Satyr wurde. Es hatte viele solcher Fälle gegeben, doch in allen waren, soweit er sich erinnerte, Frauen oder Kinder die Opfer gewesen.
    Hier jedoch waren alle drei Opfer Männer, was Lombard und Kope anging, große, kräftige Männer, die durchaus in der Lage waren , sich zu verteidigen. Trotzdem hatte sich der Täter bisher nur Männer ausgesucht. Ausschließlich Männer. Die er mit einem Eispickel erschlagen hatte. Hatte das irgendeine Bedeutung?

    Möglich, schon möglich. Delaney nickte. Er griff nach seiner „Experten-Kartei" und fand die Karte, die er suchte: „Dr. Otto Morgenthau. Psychiater - Kriminologe." Auf der Karte waren einige handschriftliche Notizen, die ihm die beiden Fälle in Erinnerung riefen, in denen Dr. Morgenthau der Polizei behilflich gewesen war - das eine Mal hatte es sich um einen Frauenschänder gehandelt, das andere Mal um einen Bombenleger. Die Praxis des Arztes lag in der 5th Avenue in der Höhe der sechziger Straße, also nicht im 251. Revier. Delaney wählte die angegebene Nummer.
    Eine weibliche Stimme meldete sich: „Praxis Dr. Morgenthau."
    „Könnte ich wohl bitte Dr. Morgenthau sprechen? Hier spricht Captain Edward X. Delaney von der New Yorker Polizei."
    „Einen Augenblick, bitte."
    „Hallo, hier Morgenthau. Wie geht es Ihnen, Captain?"
    „Danke, Doktor. Und Ihnen?"
    „Ein bißchen überarbeitet. Was gibt's, Captain?"
    „Ich würde Sie gern aufsuchen, Sir."
    „Sie, Captain? Privat? Oder dienstlich?"
    „Dienstlich."
    „Worum handelt es sich?"
    „Es ist schwierig, das am Telefon zu erklären, Doktor. Ich würde Sie gern..."
    „Unmöglich", unterbrach Morgenthau ihn scharf. „Ich habe bis heute abend um zehn Sprechstunde. Und dann muß ich..."
    „Es geht um die drei Männer, die auf der East Side ermordet wurden", unterbrach Delaney ihn. „Sie haben bestimmt darüber gelesen."
    Ein längeres Schweigen folgte.
    „Ja", sagte Morgenthau langsam. „Ich habe davon gelesen. Also einverstanden. Kommen Sie Punkt zehn hier in die Praxis. Eine Viertelstunde will ich Ihnen gewähren. Mehr nicht."

    „Vielen Dank, Doktor. Ich bin pünktlich."
    Delaney war fünf Minuten vor der Zeit da. Die mürrische, etwas ältliche Sprechstundenhilfe war gerade dabei, ihren Mantel anzuziehen.
    „Captain Delaney?" „Ja."
    „Ich gehe jetzt. Bitte verschließen Sie gut hinter mir die Tür", sagte sie. „Der Doktor ruft Sie dann, wenn er soweit ist."
    Als der Arzt endlich aus seinem Sprechzimmer herauskam, erschrak Delaney über das Aussehen des Mannes. Er hatte einen etwas korpulenten, aber kräftigen, wendigen Mann in Erinnerung, von straffer Haltung, gesunder Hautfarbe und mit klaren, wachen Augen. Jetzt stand er einem bleichen Mann gegenüber, dessen Anzug drei Nummern zu groß schien. Glanzlose Augen unter schweren Lidern, schütteres, ungekämmtes Haar. Seine Hände zitterten leicht, und die Fingernägel waren schmutzig und ungepflegt.
    Sie gingen ins Sprechzimmer. Morgenthau ließ sich schwerfällig in seinen Schreibtischsessel fallen. Delaney nahm auf einem Stuhl neben dem Schreibtisch Platz.
    „Ich werde mich so kurz wie möglich fassen, Doktor", begann er. „Ich weiß, Sie sind ein vielbe..."
    „Einen Augenblick bitte noch", murmelte Morgenthau, faßte mit beiden Händen nach der Schreibtischplatte und erhob sich. „Mir fällt gerade ein Telefongespräch ein, das ich nicht aufschieben kann. Ein Patient. Es dauert nicht lange, ich bin gleich wieder zurück."
    Morgenthau blieb fast zehn Minuten in dem angrenzenden Behandlungsraum. Als er wieder hereinkam, bewegte er sich federnd, die Pupillen waren geweitet, die Augen glänzten, alles Fahrige war von ihm abgefallen. Lächelnd rieb er sich die Hände.
    „Dann mal los, Captain. Was gibt's?" sagte er jovial.
    Nein, keine Tabletten, dachte Delaney. Dazu macht sich die

Weitere Kostenlose Bücher