Die erste Todsuende
nicht. Jetzt halten Sie mich für verrückt, nicht wahr?"
„Ist das das Ende der Geschichte?"
„Nein, die geht noch weiter. Warten Sie, ich will erst noch ein paar Kerzen ausblasen."
„Das mach ich schon."
Sie drückte mit angefeuchteten Fingern noch drei Kerzen aus. Jetzt leuchteten nur noch drei, die schon weit heruntergebrannt waren. Sie kam zurück und nahm wieder auf dem Sitzkissen Platz.
„Erzählen Sie weiter."
„Ja, also. Ich schmökerte in der Buchhandlung Brentano - das war im Winter nach dem Urlaub in Barnegat Bay —, und Sie wissen ja, bei Brentano gibt es immer einen Haufen Zeugs, wie man es in Museen findet: alten Schmuck und Halbedelsteine, Korallen und primitives Kunstgewerbe, solche Dinge eben. Nun ja, diesmal stand eine Sammlung von afrikanischen Masken zum Verkauf. Sehr primitiv, ausdrucksstark und irgendwie beängstigend. Sie wissen ja, was für eine Wirkung primitive afrikanische Kunst haben kann. Die rührt an irgendwelche Tiefen an, etwas sehr Geheimnisvolles. Nun, ich wollte jedenfalls, daß Gilda und ich im Bett solche Masken trügen - ziemlich aberwitzig, ich weiß! Ich wußte es auch damals, aber ich konnte einfach nicht widerstehen, und so kaufte ich zwei von diesen Masken - die übrigens nicht billig waren -und nahm sie mit nach Hause. Gilda mochte sie nicht, fand sie aber auch nicht abstoßend und ließ sie mich in der Diele aufhängen. Ein paar Wochen später, wir hatten beide ziemlich viel getrunken..."
„Sie haben Ihre Frau betrunken gemacht?"
„Wahrscheinlich. Trotzdem wollte sie einfach nicht. Sie weigerte sich, im Bett eine von den Masken zu tragen, und behauptete, ich sei verrückt. Wie dem auch sei - am nächsten Tag warf sie die Masken weg oder machte sonstwas mit ihnen. Jedenfalls waren sie nicht mehr da, als ich nach Hause kam."
„Und dann haben Sie sich scheiden lassen?"
„Nun, nicht nur wegen der Sonnenbrillen und der afrikanischen Masken. Da war noch anderes. Seit einiger Zeit schon hatten wir uns mehr und mehr auseinandergelebt. Aber die Sache mit den Masken hat für mich zweifellos viel dazu beigetragen. Komische Geschichte — finden Sie nicht?"
Sie stand auf, um auch noch die letzten drei Kerzen auszumachen. Sie rußten ein wenig: Celia befeuchtete die Fingerspitzen und drückte damit die Dochte aus. Sie goß noch etwas Wodka in beide Gläser, und dann legte sie den Kopf auf die Seite und betrachtete den Kerzenleuchter.
„So sieht's besser aus."
„Ja", sagte er, „das finde ich auch."
„Haben Sie wohl eine Zigarette?"
„Ich rauche nikotinfreie. Aber ich habe auch andere. Welche möchten Sie?"
„Lieber eine von den giftigen."
Er gab ihr Feuer, und sie ging mit verschränkten Armen vor der Spiegel wand auf und ab. Den Kopf hielt sie vorgeneigt, und das lange Haar verbarg ihr Gesicht.
„Nein", sagte sie, „ich glaube nicht, daß es unsinnig war. Und ich halte Sie auch nicht für verrückt - was die Sonnenbrillen und die Masken betrifft, .meine ich. Sehen Sie, es gab doch eine Zeit, wo das Sexuelle an sich und durch sich selber Macht besaß, etwas Geheimnisvolles, einen Schrecken, den es jetzt nicht mehr hat.
Heute heißt es: 'Trinken wir noch einen Martini? Oder gehen wir lieber gleich ins Bett?' Der Sexualakt an sich hat heutzutage doch nicht mehr Bedeutung als die Nachspeise beim Essen. In dem Bemühen, seine Bedeutung wiederherzustellen, versucht man, die Lust zu vergrößern, und bedient sich dabei aller möglichen Hilfsmittel; was alles die Sexualität nur noch mehr zu einem Mechanismus degradiert. Das ist einfach die falsche Kur. Der Sexualakt ist nicht ausschließlich, ja, nicht einmal hauptsächlich ein rein körperliches Vergnügen. Er ist ein Ritus. Seine ursprüngliche Bedeutung gewinnt er nur zurück, wenn man ihn mit dem schönen Drum und Dran einer rituellen Zeremonie ausstattet. Deswegen war ich ja von dem Laden der Mortons so begeistert. Vermutlich sind die beiden sich nicht einmal darüber im klaren, aber was sie da entdeckt haben, ist, daß die psychische Befriedigung der Sexualität wichtiger geworden ist als die physische Befriedigung. Sexualität ist zu einer erregenden Kunst geworden oder sollte es jedenfalls werden. So war es ja auch früher, in nicht wenigen Kulturen. Mortons haben einen Anfang gemacht, indem sie das Zubehör liefern, die Kostüme und das Drumherum des Spiels. Gewiß, das ist nur ein erster Schritt, aber kein schlechter. Doch jetzt zu Ihnen. Ich glaube, Sie fingen an, sich mit Ihrer 'gesunden,
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