Die erste Todsuende
normalen' Frau zu langweilen. 'Das soll alles sein?' fragten Sie sich. 'Ist denn nicht mehr dran?' Selbstverständlich ist mehr daran. Viel, viel mehr. Und Sie waren durchaus auf der richtigen Spur, als Sie von einer 'Offenbarung' sprachen, von 'einer Tür, die sich auftat', als Sie mit Ihrer Frau schliefen und dabei die Sonnenbrille aufbehielten. Und auch als Sie sagten, die afrikanischen Masken wären 'primitiv' und 'irgendwie beängstigend'. Was Sie da entdeckt hatten, war doch die unbekannte oder unbeachtete Seite des Sex: seine psychische Erfüllung. Jetzt, wo Sie dahintergekommen sind, vermuten Sie - zu Recht -, daß die spirituelle Befriedigung weit über die körperliche Lust hinausgehen kann. Schließlich gibt es nur eine begrenzte Zahl von Öffnungen und Schleimhäuten im menschlichen Körper. Mit anderen Worten: Sie fangen an, Sex als einen religiösen Ritus und als eine erregende Zeremonie zu betrachten. Die Masken waren nur ein erster Schritt dorthin. Zu schade, daß Ihre Frau es nicht so sehen konnte."
„Ja", stimmte er zu, „schade!"
„Ich muß jetzt gehen", sagte sie unvermittelt und ging ins Schlafzimmer hinüber, ihren Umhang holen.
„Ich werde Sie nach Hause bringen", erbot er sich eifrig.
„Nein. Das ist nicht nötig. Ich nehme ein Taxi."
„Dann lassen Sie mich jedenfalls mit hinunterkommen und Ihnen ein Taxi rufen."
„Bitte, tun Sie's nicht."
„Ich möchte Sie wiedersehen. Darf ich Sie anrufen?"
„Ja."
Ehe er sich's versah, war sie zur Tür hinaus und verschwunden. Es roch nach ausgeblasenen Kerzen und Rauch.
Er knipste das Licht aus, saß lange in der Dunkelheit und dachte über das nach, was sie gesagt hatte. Es brachte eine Saite in ihm zum Klingen. Er begann, jenes endgültige Bild zu erahnen, das sich aus den Stücken und Teilen jener Gedanken und Verhaltensweisen zusammensetzte, die ihn bislang so verwirrt hatten. Und dieses Bild schockierte ihn, wiewohl er davor weder Angst hatte, noch irgendwelchen Abscheu empfand.
Einmal, im Spätsommer vergangenen Jahres, hatte er seinen nackten, seit kurzem wieder schlanken und wohlgebräunten Körper im Schlafzimmerspiegel bewundert. Im Schein der Nachttischlampe schimmerte seine Haut sanft rosig. Dabei bemerkte er, wie sonderbar und erregend das goldene Band der Armbanduhr auf seiner Haut wirkte. Das hatte etwas... Eine Woche später kaufte er einen Gürtel aus schweren vergoldeten Kettengliedern, der für jede Taillenweite passend gemacht werden konnte, und ließ ihn in Geschenkpapier einwickeln, warum, wußte er selber nicht.
Jetzt, nur wenige Stunden, nachdem er Celia Montfort kennengelernt, nachdem sie in seinem Bett geschlafen, seine Geschichte angehört und mit ihm darüber gesprochen hatte, stand er wieder vor dem Schlafzimmerspiegel. Das Zimmer war nur von dem sanft seinen Körper umfließenden Schein der Nachttischlampe erleuchtet. Um das Handgelenk trug er das goldene Armband seiner Uhr und um die schlanke Hüfte den Gürtel aus Kettengliedern.
Fasziniert starrte er sich an. Von Ketten umgürtet, berührte er sich.
4
Dem Verlag Javis-Bircham gehörte das Bürohaus westlich der 9th Avenue in der 46th Street, in dessen fünfzehn oberen Stockwerken die Firma untergebracht war. Es war in den späten dreißiger Jahren errichtet und in dem wuchtigen, sich nach oben verjüngenden Stil der Zeit samt Innenausstattung und Schmuck dem Rockefeller Center nachempfunden.
Javis-Bircham verlegte Fachzeitschriften, Schulbücher und technische Zeitschriften. Als Daniel Blank vor sechs Jahren dort anfing, brachte der Verlag 129 verschiedene Zeitschriften heraus, die samt und sonders etwas mit der chemischen Industrie, Öl und Petroleum, dem Ingenieurwesen, Management, dem Auto- und Werkzeugmaschinenbau und der Luftfahrt zu tun hatten. In den letzten Jahren waren noch Zeitschriften über Automation, Computer-Technik, Umweltschutz, Ozeanographie und Weltraumforschung hinzugekommen; außerdem eine Verbraucherzeitschrift zum Thema Forschung und Entwicklung. Des weiteren hatte man eine Buchgemeinschaft ins Leben gerufen, und im Augenblick wurden die Möglichkeiten kurzgefaßter wöchentlicher Informationsdienste auf Gebieten sondiert, die ansonsten von ihren monatlich oder zweimonatlich erscheinenden Fachblättern beackert wurden. Javis-Bircham rangierte in der letzten Liste der fünfhundert größten Firmen auf Platz 216. Seit 1951 wurden Aktien von Javis-Bircham an der Börse gehandelt, und nach einer Neuemission im Jahre 1962 war der
Weitere Kostenlose Bücher