Die erste Todsuende
Kurs um das Zwanzigfache gestiegen.
Daniel Blank war als stellvertretender Vertriebsleiter eingestellt worden. Drei Verbraucherzeitschriften, an denen er sich zuvor im Vertrieb und der Abonnentenkartei betätigt hatte, waren eingegangen. Blank, den das nicht überraschte, überlebte in einer besseren Stellung und mit einem Einkommen, von dem er vor zehn Jahren nicht einmal geträumt hatte.
Seine erste Reaktion auf das Vertriebssystem bei Javis-Bircham ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Ein beschissener Saftladen!" sagte er zu seiner Frau.
Blanks unmittelbarer Vorgesetzter war der Vertriebsleiter, ein etwas schwerfälliger, aber jovialer Mann namens Robert White, der von jedermann, von den Sekretärinnen bis zu den jungen Leuten in der Expedition mit „Bob" angeredet wurde, und so war er denn auch.
White diente seit fünfundzwanzig Jahren bei Javis-Bircham und hatte sich mit einem aus über fünfzig Männern und Frauen bestehenden Mitarbeiterstab umgeben - für Blank ausnahmslos „alte Weiber", die nach Lavendel und Whisky Sour rochen, spät zur Arbeit erschienen und unentwegt Kollekten für Geburtstage, Todesfälle, Beerdigungen, Hochzeiten und Pensionierungen veranstalteten.
Eine der Hauptaufgaben des Vertriebs war es, die optimale Auflagenhöhe zu schätzen und anzugeben, wieviel Exemplare von jeder Zeitschrift jeweils gedruckt werden sollten, um Javis-Bircham ein Maximum an Profit zu garantieren. Ob es sich dabei um wöchentlich, vierzehntägig, monatlich, vierteljährlich, halbjährlich oder jährlich erscheinende Veröffentlichungen handelte, spielte keine Rolle. Manche wurden sogar kostenlos an eine bestimmte Schicht von leitenden Angestellten verteilt, andere wiederum nur an Abonnenten abgegeben, wohingegen wieder andere im freien Verkauf an den Zeitungskiosken zu haben waren. Die meisten Zeitschriften lebten von den Anzeigen, einige wenige hinwiederum brachten überhaupt keine Anzeigen, waren aber derart spezialisiert, daß sie ihres Inhalts wegen gekauft wurden.
Die Druckauflage einer jeden Publikation optimal festzulegen, war eine unglaublich komplexe Aufgabe. Man mußte dabei frühere und mögliche zukünftige Auflagen einer jeden Zeitschrift berücksichtigen, das derzeitige und das anvisierte Anzeigenvolumen, den Anteil der Gemeinkosten, die tatsächlichen Druckkosten - Papierqualität, Druckverfahren, Vierfarbendruck usw., Versand- und allgemeine Vertriebskosten, Redaktionskosten (Personalkosten für die einzelnen Redaktionen eingeschlossen), die Kosten für Werbung usw. usw.
Als Daniel Blank in den Verlag eintrat, wurde die Auflage mehr oder weniger über den Daumen gepeilt. Das muntere Kaffeekränzchen von Bob White lieferte seinem Chef die nötigen Unterlagen, und dabei wurde unmäßig geackert. Danach saß White einsam an seinem Schreibtisch, summte vor sich hin, fummelte mit einem uralten Rechenschieber und schickte nach Stundenfrist seine Auflagenschätzung in die Herstellung.
Daniel Blank sah sofort, daß die ständig variierenden Faktoren geradezu nach einer Datenverarbeitungsanlage schrien. Seine eigene Erfahrung mit Computern war gering; in seinen früheren Stellungen hatte er es mit vergleichsweise einfachen EDV-Anlagen zu tun gehabt.
Er schrieb sich für einen sechs Monate dauernden Abendkurs „Der Triumph des Computers" ein, und zwei Jahre nach seinem Eintritt in die Firma legte er Bob White einen dreißig Seiten langen, sehr sorgfältig ausgearbeiteten und stichhaltigen Plan für die Umstellung der Vertriebsabteilung auf Computer vor.
White las diese Arbeit übers Wochenende zu Hause durch und gab sie Blank am Montag zurück. Einige Seiten zierten braune Ringe von Kaffeetassen, eine war offenbar durch einen verschütteten Drink nahezu unleserlich geworden.
White ging mit Blank zum Lunch und setzte ihm lächelnd auseinander, warum aus diesem Plan nichts werden könne - absolut nichts.
„Sie haben offensichtlich eine Menge Arbeit und Überlegungen hineingesteckt", sagte White, „aber was Sie außer acht gelassen haben, das sind die Menschen, um die es hier doch auch geht. Die Angestellten. Mein Gott, Dan, ich esse doch mit den Herausgebern und Anzeigenfritzen dieser Zeitschriften fast Tag für Tag zu Mittag. Sie sind meine Freunde. Alle haben sie irgendwelche Pläne für ihre Zeitschriften: einen Artikel, der die Auflage steigert, einen neuen draufgängerischen Vertreter, der den Gewinn aus Anzeigen weit über den vom Vorjahr hinauftreibt. Ich muß doch all
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