Die erste Todsuende
Route führt zu einem Gebiet für Bergsportler."
„Haben Sie vor, mit diesem Material schon zum Bezirksstaatsanwalt zu gehen?"
„Seien Sie doch nicht albern."
„Hm, das, was ich habe, hilft Ihnen bestimmt auch nicht weiter."
Er zog einen Umschlag aus der Brusttasche und schob ihn Delaney hin. Der Umschlag war nicht zugeklebt. Er enthielt ein Hochglanzfoto, 10 mal 12, und eine Fotokopie.
Der Captain nahm das Foto in die Hand. Er blickte lange darauf. Da. Bist. Du.
Es war eine Nahaufnahme. Daniel Blank starrte direkt in die Linse. Die breiten Schultern hatte er gereckt. Um seine Lippen spielte die Andeutung eines Lächelns, doch in seinen Augen war davon nichts zu merken.
Er machte einen erstaunlich jugendlichen Eindruck. Glattes, faltenloses Gesicht. Kleine, enganliegende Ohren. Kräftiges Kinn.
Hervorstehende Backenknochen. Große, weit auseinanderstehende Augen, der Ausdruck darin gefühllos und nachdenklich zugleich. Linksgescheiteltes Haar, glatt zurückgekämmt. Dichte Augenbrauen. Schön geformte, unerwartet zärtliche, sanft geschwungene Lippen.
„Sieht ein bißchen wie ein Inder aus", sagte Delaney.
„Nein", sagte Handry. „Eher slawisch, fast mongolisch. Finden Sie, er sieht wie ein Mörder aus?"
„Für mich sieht jeder wie ein Mörder aus", sagte Delaney, lächelte aber nicht. Er wandte seine Aufmerksamkeit der Pressenotiz zu.
Sie war fast zwei Jahre alt. Es hieß darin, Daniel G. Blank sei zum Vertriebsdirektor für sämtliche im Hause Javis-Bircham erscheinenden Zeitschriften ernannt worden und werde sein neues Aufgabengebiet sofort übernehmen. Er habe vor, die Vertriebsabteilung auf Computer umzustellen, und werde die Oberaufsicht über AMROK II führen, einen neu installierten Computer, der im Javis-Bircham-Gebäude in der West 46th Street fast ein ganzes Stockwerk einnehmen werde.
Delaney las die Presseverlautbarung noch einmal durch und schob sie dann von sich. Er nahm die schwere Brille ab, lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück, verschränkte die Hände im Nacken und starrte zur Decke hinauf.
„Ich sagte ja schon, daß es Ihnen nicht viel nützen wird", sagte Handry.
„Ach... ich weiß nicht", murmelte Delaney verträumt. „Da sind ein paar Dinge... Nehmen Sie sich noch was zu trinken."
„Danke. Und Sie?"
„Ja, ich nehme auch einen kleinen Whisky."
Er wartete, bis Handry es sich im Klubsessel wieder bequem gemacht hatte. Dann richtete der Captain sich gerade auf, setzte die Brille auf und blickte über den Rand hinweg Handry an.
„Wieviel, meinen Sie, verdient ein Vertriebsdirektor bei Javis-Bircham?"
„Mindestens dreißigtausend, schätze ich. Und wenn es fünfzigtausend wären, würde es mich auch nicht wundern."
„So viel?"
„Es ist ein Riesenunternehmen. Ich hab extra nachgesehen. Es rangiert unten den fünfhundert größten Gesellschaften der USA."
„Fünfzigtausend? Nicht schlecht für einen so jungen Mann, wie?"
„Und was tut er mit dem vielen Geld?"
„Zahlt eine horrende Miete. Fährt einen teuren Wagen. Zahlt Unterhalt. Macht vermutlich Reisen. Legt sein Geld an. Hat vielleicht ein Sommerhaus. Ich habe keine Ahnung. Ich weiß ja kaum etwas von ihm."
Er stand auf und holte sich noch einen Eiswürfel. Das Glas in der Hand, ging er im Zimmer auf und ab.
„Dieser Computer", sagte er. „Wie hieß er noch - AMROK II?"
Handry, der nicht wußte, worauf Delaney hinauswollte, schwieg.
„Soll ich Ihnen mal was verraten?" sagte Delaney. „Ich habe fast zwanzig Jahre lang als Kriminalbeamter gearbeitet, ehe ich in den Revierdienst versetzt wurde. In diesen zwanzig Jahren habe ich ein gerüttelt Maß an Fällen kennengelernt, in denen sexuelle Abartigkeiten entweder direkt oder indirekt das Tatmotiv abgaben. Und bei den Tätern handelt es sich in einer ganzen Reihe von Fällen -weit öfter, als statistisch erfaßt wird - um Elektronikfachleute, Mechaniker, Programmierer, Buchhalter und Wirtschaftsprüfer, um Männer, die mit Maschinen umgehen, mit Zahlen. Es waren Sittlichkeitsverbrecher, Voyeure und Transvestiten, Verführer von Minderjährigen und Sadisten und Exhibitionisten."
„Wie erklären Sie sich das?"
„Ich habe keine Erklärung dafür. Meine persönliche Erfahrungen mit Sexualverbrechern sind zu begrenzt, um verallgemeinern zu können. Aber mir scheint, daß Menschen, deren Beruf zu mechanisiert oder automatisiert ist, deren täglicher Umgang mit anderen Menschen beschränkt ist, mehr zu sexuellen Verirrungen neigen als Menschen, die bei
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