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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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der Arbeit häufigen, höchst unterschiedlichen menschlichen Kontakt haben. Ob die sexuelle Verirrung durch den Beruf des Betreffenden bedingt ist oder ob der Betreffende, weil er bereits ein potentieller Sexualverbrecher war und Kontakt mit anderen Menschen scheut, sich unbewußt einen solchen Beruf aussuchte, vermag ich nicht zu sagen. Wie wäre es, wenn Sie Daniel Blank einmal in seinem Büro aufsuchten und sich mit ihm unterhielten?"
    Handry war so perplex, daß der Drink in seinem Glas überschwappte.
    „Wie bitte?" fragte er ungläubig. „Was sagen Sie da?"
    „Ich sagte, wie wäre es, wenn Sie Daniel Blank einmal in seinem Büro aufsuchten und sich mit ihm unterhielten."
    „Aber gewiß doch!" Handry nickte. „Ich such ihn einfach auf und verkünde ihm, daß Captain Edward X. Delaney von der New Yorker Polizei glaubt, er habe auf der East Side vier Männer mit einem Eispickel erschlagen. 'Würden Sie bitte Stellung dazu nehmen, Mr. Blank?'"
    „So natürlich nicht", sagte Delaney ernst. „Javis-Bircham hat doch vermutlich eine Presse- oder Public-Relations-Abteilung, oder?"
    „Anzunehmen."
    „Ich würde ja selbst hingehen, aber Sie sind von der Presse und können sich ausweisen. Dringen Sie zum obersten Boss der Public Relations-Abteilung vor und reden Sie mit ihm, machen Sie ihm den Mund wäßrig. Sagen Sie, Ihre Zeitung plane eine Serie von Porträts junger, aufstrebender Manager, dieser..."
    „He, Moment mal!"
    „...dieser neuen Generation von Spitzenmanagern, die sich mit Computern auskennen, etwas von Marketing verstehen, von demographischen Untersuchungen und so weiter. Bitten Sie den Mann, Ihnen vier oder fünf junge, progressive Abteilungsleiter von Javis-Bircham zu nennen, die für die geplante Serie in Frage kommen."
    „Ja, aber..."

    „Fragen Sie nicht, ich wiederhole, fragen Sie nicht ausdrücklich nach Blank. Machen Sie dem Mann nur unmißverständlich klar, daß Sie einen jungen leitenden Angestellten suchen, der mit dem augenblicklichen Einsatz und den zukünftigen Möglichkeiten von Computern im Geschäftsleben vertraut ist. Sie können sicher sein, daß Blank einer von den vier oder fünf Männern ist, die er Ihnen vorschlägt. Und dann wählen Sie Blank aus. Ist doch ganz einfach, oder?"
    Es blieb still. Der Reporter holte tief Luft, dann sah er Delaney an.
    „Okay", sagte er.
    „Gut." Der Captain nickte. „Versuchen Sie, zu einer Verabredung mit Blank zu kommen. Strengen Sie Ihren Grips an. Ich weiß, daß Sie etwas auf dem Kasten haben. Und wenn es soweit ist, rufen Sie mich an. Dann setzen wir uns noch mal zusammen, und ich sage Ihnen, was für Fragen Sie ihm stellen sollen. Und wir machen ein Probeinterview."
    „Probeinterview ? "
    „Ja. Ich übernehme die Rolle von Blank, damit Sie wissen, wie er möglicherweise auf Ihre Fragen reagiert, und damit Sie, je nachdem was er sagt oder nicht sagt, nachfassen können."
    „Es ist nicht mein erstes Interview", verwahrte sich Handry. „Das hab ich schon hundertmal gemacht."
    „Aber kein Interview war so wichtig wie dieses. Als Schwindler, Handry, sind Sie ein blutiger Laie. Ich werde einen Profi aus Ihnen machen."
    Der Reporter nickte verbissen. „Wenn jemand das schafft, dann Sie. Sie lassen keinen einzigen Trick aus, wie?"
    „Nach Möglichkeit nicht."
    „Sollte ich jemals ein Verbrechen begehen, so kann ich nur hoffen, daß Sie nicht hinter mir her sein werden, Eisenarsch."
    Es klang bitter.
    Als Handry gegangen war, griff Delaney wieder nach dem Foto von Daniel Blank und betrachtete es lange. Der Mann sah gut aus, kein Zweifel; dunkel und hager. Das Gesicht wirkte wie glattgeschliffen: Stirn-, Backen- und Kinnknochen schienen nur mit Haut überzogen. Dem Gesicht war nichts zu entnehmen: weder Gier noch Leidenschaft, weder Verruchtheit noch Schwäche - es war eine undurchdringliche Maske, die ihr Geheimnis nicht preisgab.
    Einem Augenblicksimpuls folgend und ohne sich Rechenschaft abzulegen über die Motive, die ihm zugrunde lagen, holte er seine Blank-Akte heraus und suchte nach der Telefonnummer. Als er sie gefunden hatte, wählte er sie. Es klingelte viermal. Dann:
    „Hallo?"
    „Lou?" fragte Delaney. „Lou Jackson?"
    „Nein, tut mir leid, aber Sie haben eine falsche Nummer gewählt", sagte eine freundliche Stimme.
    „Oh, Verzeihung."
    Delaney legte auf. Es war eine angenehme Stimme, irgendwie musikalisch, klare Diktion, tiefe Tonlage und recht volltönend. Wieder betrachtete er aufmerksam das Foto und verglich, was

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