Die erste Todsuende
Die Sommeranzüge - alle Jacketts auf Holzbügeln, die Hosen in Hosenspannern - staken in durchsichtigen Plastikhüllen. Die Winteranzüge waren alle entweder schwarz oder mitternachtsblau. Außerdem hingen da eine wildlederne Sportjacke, eine Schottenjacke und eine mit einem dezenten Fischgrätenmuster. Vier Sporthosen: zwei aus grauem Flanell, eine aus Schottenstoff, eine aus flaschengrünem Wildleder. Zwei seidene Morgenmäntel, einer mit einem Vogelmuster, der andere mit leuchtendroten Orchideen.
Delaney ging so gründlich vor, wie es die knappe Zeit, die ihm zur Verfügung stand, erlaubte, aber es war natürlich nur eine oberflächliche Suche, doch immer besser als gar nichts.
Die beiden Kommoden mußte er sich noch vornehmen. Es waren zueinander passende Stücke: unten drei Schubladen, die über die ganze Breite gingen, und oben zwei halbbreite Züge. Er sah auf die Uhr. Es waren 46 Minuten vergangen. Eine Stunde und nicht länger, hatte er Lipsky versprochen.
Er fing mit der Kommode an, die beim Fenster stand. Die erste Halbschublade, die er aufzog, war voll von Schmuck, entweder lose herumliegend oder in kleinen Lederetuis: Krawattennadeln, Manschettenknöpfe, Zierknöpfe, Krawattenklemmen, ein paar Dinge, deren Zweck er nicht sogleich begriff — ein Gürtel aus Goldgliedern, zum Beispiel, und ein goldenes Uhrkettchen, drei offensichtlich teure Armbänder mit eingraviertem Namen, zwei schwere Männerhalsketten, sieben Ringe, ein handgearbeitetes Herz aus Gold an einer feinen Kette. Vorsichtig sah er unter jedem einzelnen Stück nach. In der anderen Halbschublade lagen Taschentücher.
In der obersten der großen Schublade: Socken, mindestens fünfzig Paar, von schwarzen Seidensocken bis zu schottisch karierten wollenen Kniestrümpfen. Nichts darunter.
In der zweiten und dritten Schublade: Hemden. In der zweiten offensichtlich Bürohemden: weiß und hellblau, konservativ geschnitten. In der dritten Sporthemden, ausgefallene Farben und Muster, Strickhemden, Polyesterhemden. Wieder schob er die Hand vorsichtig zwischen und unter die sorgsam übereinandergelegten Hemden. Seine Finger gerieten auf etwas Glattes. Er zog es heraus.
Es war ein Aktfoto, Hochglanz und im Format 20 mal 25 cm. Es war eine ältere Aufnahme. Blank sah darauf jünger aus, hatte dichteres Haar. Die Hände in die Hüften gestemmt, stand er da und lachte in die Kamera. Er hatte, wie Delaney sah, einen wunderschönen Körper: breite Schultern, schmale Taille, kräftige Arme. Die Beine zu beurteilen war unmöglich, da das Foto direkt über den Schamhaaren durchgeschnitten war. Blank lächelte Delaney an, die Hände in den Hüften, Schwanz und Eier weggeschnitten, futsch. Sorgsam schob der Captain das verstümmelte Bild wieder unter die Strickhemden.
Dann machte er sich an die zweite Kommode. In der einen kleinen Schublade lagen Krawatten: zumeist breite Seidenbinder, Querbinder, ein weißes Seidenhalstuch und ein paar gemusterte
Taschentücher. Die andere enthielt ein kunterbuntes Durcheinander: zwei Knautschhüte für den Strand, zwei Sonnenbrillen, eine Flasche mit Sonnenöl in einem Plastikbeutelchen, eine Tube Sonnenschutzsalbe der Marke „Cover-AU", Flugpläne verschiedener Fluggesellschaften nach Florida, zu den karibischen Inseln, nach England, Brasilien, der Schweiz, Frankreich, Italien, Schweden -alle von einem Gummiband zusammengehalten.
In der obersten großen Schublade lag Unterwäsche: Bikinis, Slips, Stretchunterhosen und farbige Spitzengebilde, die es, soweit er wußte, nirgendwo anders als in Damenwäschegeschäften gab. Gleichmütig fühlte er unter jedem Stapel nach und legte dann alles wieder sorgsam hin.
In der zweiten großen Schublade lagen die Pyjamas: Oberteile und Hosen aus Nylon, Baumwolle, Flanell. Schlafröcke. Und sogar ein leuchtend rotes Nachthemd.
In der untersten Schublade lagen Badeanzüge - mehr als ein Mann in seinem ganzen Leben je benutzen konnte: alles, von winzigen Bikinis bis zu Hosen zum Wellenreiten mit langen Beinlingen. Drei Posierslips, der eine nicht größer als eine Augenklappe. Und dazwischen sechs Paar Winterhandschuhe; aus dünnem schwarzen Leder, rauhem Rindsleder mit Schaffellfutter; leuchtend gelbe Wildlederhandschuhe, graue, schwarz abgesteppte Glacehandschuhe und so weiter. Nichts. Weder zwischen den Sachen noch darunter.
Delaney schob die letzte Schublade zu und tat einen tiefen Seufzer. Wieder sah er auf die Uhr. Noch fünf Minuten. Vielleicht konnte er ein, zwei Minuten
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