Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
abgeschnitten, um in den Besitz der Ringe zu kommen, den toten Opfern brutal die Halsketten heruntergerissen, ja sogar die Schuhe waren den Ermordeten ausgezogen und einmal einem Opfer mit einer Zange Goldplomben herausgebrochen worden.
    Er drehte sich um und sah wieder auf die Dinge, die auf seinem Mantel lagen. Das hier war das Schlimmste! Er hätte nicht genau sagen können, warum - es war so abgrundtief verrucht, so abscheulich, daß er sich nicht sicher war, ob er weiterleben, ob er ein Mitglied der menschlichen Gesellschaft bleiben wollte. Hier war dem Toten nicht aus Rache oder Habgier etwas weggenommen worden, sondern - ja, warum? Um ein Andenken zu haben? Eine Trophäe? Das hier hatte etwas Gottloses, etwas, das ihm unerträglich war. Er hatte keine Erklärung dafür. Wußte es einfach nicht. Jedenfalls im Augenblick nicht. Aber er würde darüber nachdenken.
    Er legte alles sorgfältig wieder an Ort und Stelle und unternahm, ehe er die Wohnung verließ, rasch noch einen Inspektionsgang durch alle Räume. Er hatte die Hand schon auf der Klinke, da fiel ihm noch etwas ein. Er ging noch einmal in die Küche und machte die Unterschränke auf. Ein Plastikeimer. Reinigungsmittel. Ein Spray gegen Ungeziefer. Fußbodenwachs. Möbelpolitur. Und dann das, was er zu finden gehofft hatte: ein kleines Fläschchen mit leichtem Maschinenöl.
    Er riß ein Stück von der Rolle Küchenpapier ab, die an der Wand hing. Ob dem Mann auffallen würde, wenn von dem Küchenpapier etwas fehlte? Delaney nahm es fest an. Trotzdem tränkte er das Papier mit dem Öl, legte es zusammen und steckte es in einen der gefütterten Handschuhe in seiner Manteltasche. Das Fläschchen mit dem Maschinenöl kam wieder genau dorthin, wo es gestanden hatte.
    Zurück zur Wohnungstür. Aufschließen, ein rascher Blick auf den leeren Gang. Er trat hinaus, schloß ab, versuchte, am Knopf zu drehen, dreimal. Alles fest. Er ging zu den Aufzügen, streifte die schwarzen Seidenhandschuhe ab und verstaute sie in der Brusttasche. Drückte auf den „Abwärts"-Knopf, entnahm, während er wartete, seiner Brieftasche drei Zehndollarscheine, die er fest um das Schüsselbund wickelte.
    Sechs Personen waren im Aufzug. Höflich traten sie zurück und ließen ihn herein. Er schob sich bis an die Rückwand durch. Sanfte Musik spielte. Unten angekommen trat er als letzter hinaus und hielt nach Lipsky Ausschau. Endlich entdeckte er ihn. Er war draußen und half einer alten Dame ins Taxi. Geduldig wartete er, bis der Pförtner wieder hereinkam. Lipsky sah ihn, und mit ausgestreckter Hand kam er auf ihn zu. Der Captain glaubte, im Erdboden versinken zu müssen. Er spürte die feuchte Hand des anderen, als er ihm Schlüssel und Geld reichte.
    Delaney eilte zu Fuß nach Hause. Ein merkwürdiger Gedanke ging ihm durch den Kopf: daß seine Versetzung zum Revierdienst ein Fehler gewesen war. Er pfiff auf Erfahrungen in der Verwaltung. Er hatte nicht die Absicht, Commissioner zu werden. Dies hier war es, was er am besten konnte - und am liebsten tat.
    Kaum angekommen, rief er Thorsen an. Es war nicht der Augenblick, sich Gedanken darüber zu machen, ob ein Apparat abgehört wurde oder nicht. Aber Thorsen rief nicht zurück. Er wartete eine Viertelstunde. Dann rief er im Vorzimmer an. Der Inspector sei in einer Besprechung, hieß es, und könne nicht gestört werden.
    „Stören Sie ihn trotzdem", sagte Delaney scharf. „Hier spricht Captain Edward X. Delaney. In einer dringenden Angelegenheit."
    Es dauerte ein paar Augenblicke. Dann:
    „Großer Gott, Edward, was ist denn so..."
    „Ich muß Sie sofort sprechen."
    „Unmöglich. Sie ahnen nicht, was hier los ist. Es geht um die Entscheidung."
    Delaney fragte nicht, um welche „Entscheidung". Es interessierte ihn nicht. „Ich muß Sie sprechen", wiederholte er.
    „Hat es Zeit bis sechs?" fragte Thorsen. „Um sieben ist eine weitere Besprechung mit dem Commissioner, aber um sechs ginge es. Hat es bis dahin Zeit?"
    Delaney überlegte. „In Ordnung. Um sechs. Und wo?"
    „Kommen Sie um sechs zu mir nach Hause."
    „Ich bin pünktlich da."
    Er drückte die Telefongabel gerade solange herunter, um die Leitung zu unterbrechen, dann rief er Dr. Sanford Ferguson an.

41
    „Hier Captain Edward X. Delaney."
    „Ich komme mir richtig vernachlässigt vor", sagte Ferguson traurig. „Ich habe ja seit Ewigkeiten nichts mehr von Ihnen gehört. Wie kommen Sie voran?"
    „Ganz gut. Ich habe Ihren vorläufigen Bericht über den Fall

Weitere Kostenlose Bücher