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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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„Nur Mutmaßungen."
    Thorsen: „Wir haben also nichts in der Hand?"
    Delaney: „Im Augenblick nicht."
    Johnson: „Aber Sie können ihn festnageln?"
    Delaney: „Irgendwann bestimmt. Selbstverständlich."
    Der Stellvertretende Bürgermeister war diesem raschen Wortwechsel gefolgt, ohne ihn zu unterbrechen. Jetzt hob er die Hand. Sie verstummten. Umständlich zündete er sich seine nicht mehr brennende Zigarre an.
    „Meine Herren", sagte er ruhig. „Ich weiß, daß ich ein armer Pole bin, den nur eine Generation vom Warschauer Ghetto trennt, doch ich hatte mir eingebildet, die englische Sprache und das amerikanische Idiom zu beherrschen. Aber jetzt möchte ich Sie bitten, mir doch zu erklären, wovon, zum Teufel, Sie hier eigentlich reden."
    Alle lachten. Das Eis war gebrochen, und eben das hatte Alinski gewollt, wie Delaney erkannte. Der Captain wandte sich an Thorsen:
    „Soll ich es auf meine Weise erzählen?"
    Thorsen nickte.
    „Sir", sagte der Captain und wandte sich an den Stellvertretenden Bürgermeister. „Ich werde Ihnen erzählen, was ich kann. Ein paar Dinge werde ich Ihnen nicht sagen. Nicht um mich selbst zu schützen, das wäre mir egal. Aber ich halte es nicht für gut, wenn Sie und die anderen Herren hier im Raum sich der Mitwisserschaft schuldig machen. Verstehen Sie?"

    Alinski kaute an seiner Zigarre und nickte. Seine dunklen Augen wurden womöglich noch dunkler: Neugierig sah er Delaney an.
    „Ich kenne den Mann, der diese Morde begangen hat", fuhr Delaney fort. „Ich habe die Beweise in der Hand gehabt. Schlüssige, unumstößliche Beweise. Mein Wort darauf. Die Beweise waren vor drei Stunden vorhanden, und zwar in seiner Wohnung. Doch die Beweise lassen eine Verhaftung nicht zu. Warum nicht? Weil sie sich in seiner Wohnung, innerhalb seiner eigenen vier Wände befinden. Wie sollte ich beschwören, gesehen zu haben, was ich gesehen habe? Vom juristischen Standpunkt aus habe ich gar nichts gesehen. Und wenn ein verständnisvoller Richter trotzdem einen Haussuchungsbefehl ausstellen würde, was dann? Er könnte die Beamten, die ihm diesen Befehl präsentieren, lange genug hinhalten und das Beweismaterial inzwischen vernichten. Auf irgendeine Weise. Und dann? Ihn festnehmen? Auf Grund von was? Aber angenommen, wir tun das. Sollen wir Gefahr laufen, uns eine Klage wegen unrechtmäßiger Verhaftung auf den Hals zu laden? Wozu? Oder ihn Karussell fahren lassen? Dieser Ausdruck ist Ihnen vielleicht unbekannt. Er bedeutet: einen Verdächtigen festnehmen, ihn auf der Revierwache in eine Haftzelle sperren und versuchen, ihn zum Schwitzen zu bringen, das heißt zum Reden. Er wird nach seinem Anwalt verlangen. Dieser Forderung müssen wir stattgeben, sonst würden wir gegen die Vorschriften verstoßen. Sein Anwalt erzwingt seine Freilassung. Während der Anwalt die notwendigen Papiere besorgt, verlegen wir ihn auf eine andere Wache. Wohin, weiß niemand. Und bis der Anwalt das raushat, haben wir ihn schon weitergebracht. Wir lassen ihn also Karussell fahren. Ein alter Trick, der heutzutage kaum noch angewendet wird; ursprünglich verfiel man darauf, um wichtige Zeugen im Schwitzkasten zu behalten, oder weil man noch ein, zwei oder drei Tage brauchte, um den Kerl endgültig festzunageln. Das würde in diesem Fall nicht klappen. Auch nicht, ihn zum Schwitzen zu bringen. Fragen Sie mich nicht, warum - ich weiß es einfach. Er würde nicht reden. Warum sollte er auch? Er verdient rund fünfundfünfzigtausend im Jahr. Hat eine angesehene Position bei einer der größten Firmen hier in New York. Wir haben es nicht mit einem kleinen Gauner von der Straße zu tun, der allen möglichen Dreck am Stecken hat. Wir können keinerlei Druck auf ihn ausüben. Er hat keinerlei Vorstrafen. Er verfügt über einen guten Anwalt und Freunde. Er gilt etwas! Verstehen Sie jetzt?"

    „Ja..." Alinski nickte nachdenklich. „Jetzt verstehe ich. Vielen Dank, Captain."
    „Fünfundfünfzigtausend im Jahr?" sagte Inspector Johnson ungläubig. „Alle Achtung!"
    „Eine Frage", sagte der Stellvertretende Bürgermeister. „Inspector Johnson fragte Sie, ob Sie ihn festnageln könnten, und Sie sagten, ja. Wie wollen Sie das anstellen?"
    „Das weiß ich noch nicht", gestand Delaney. „Das habe ich mir noch nicht näher überlegt. Das ist auch nicht der Grund, weswegen ich heute abend hierhergekommen bin."
    „Sondern?"
    „Dieser Wahnsinnige wird wieder morden. Ich nehme an, in der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr.

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