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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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sich den ganzen Tag über zu beschäftigen.
    Er hätte ohne weiteres den Eindruck des überarbeiteten Mannes erwecken können. Viele leitende Angestellte taten unter ähnlichen Umständen genau das. Er konnte überflüssige Einladungen annehmen, mit Papieren unterm Arm durch die Korridore stelzen, die Stirn runzeln und den Kopf schütteln, technische Literatur über weitere EDV-Anlagen anfordern, die auf die Bedürfnisse von Javis-Bircham nicht zugeschnitten waren, und sich damit eine Menge völlig unnötiger Korrespondenz aufbürden. Außerdem hätte er sinnlose Geschäftsreisen unternehmen können, um die Arbeitsweise von Zeitschriftengroßhändlern und Druckereien kennenzulernen, er hätte auch Dutzende von Konferenzen und Fachbesprechungen besuchen, dort Vorträge halten und die Dienste williger Mädchen kaufen können.
    Das entsprach jedoch nicht seiner Art.
    Er brauchte die Arbeit und konnte Untätigkeit nicht lange ertragen. Also wandte er sich der „Expansionspolitik" zu und überlegte, wie er die Vertriebsabteilung und damit seinen Einfluß und seine Macht vergrößern könnte.
    In seinem Privatleben verspürte er nach dem kurzen Winterschlaf, der auf seine Scheidung folgte (und in welcher Periode er sich unerklärlicherweise schwor, enthaltsam zu leben) das gleiche Bedürfnis nach Betätigung. Dieser Wunsch etwas zu „tun", datierte von dem Tag, an dem er Celia Montfort kennenlernte. Er drückte den Knopf seines Telefons, um eine Leitung nach draußen zu bekommen, und wählte dann ihre Nummer. Wieder einmal.
    Seit dem Sonntag bei Mortons hatte er sie weder gesehen noch mit ihr gesprochen. Ihre Nummer wußte er aus dem Telefonbuch von Manhattan. Dort stand sie: „Monfort, C." mit einer East-End-Adresse. Doch jedesmal, wenn er anrief, antwortete eine lispelnde männliche Stimme: „Miss Montforts Residenz."
    Blank nahm an, es handelte sich um den Butler oder um den Hausverwalter. Für den zwölfjährigen Bruder klang die Stimme trotz des weichen Geflötes zu erwachsen. Jedesmal erfuhr er, daß Miss Montfort nicht in New York sei, und nein, er, der Sprecher, wisse auch nicht, wann sie zurückkomme.
    Diesmal lautete die Antwort jedoch anders. Zwar hieß es zuerst wieder „Miss Montforts Residenz", doch erhielt er diesmal eine weitere Auskunft: Miss Montfort habe vom Flugplatz aus abgerufen, und falls Mr. Blank später noch einmal anrufen wolle, werde Miss Montfort zweifellos zu Hause sein.
    Er legte auf. Erregende Hoffnung erfüllte ihn. Er vertraute seinem Instinkt, obwohl er nicht immer sagen konnte, warum er so und nicht anders handelte. Er war überzeugt, daß diese eigenartige, beunruhigende Frau etwas für ihn in petto hielt: irgend etwas Bedeutsames. Wenn er die Energie und den Mut hatte, etwas zu tun...
    Daniel Blank trat in den Vorraum der EDV-Anlage und nickte der Dame am Empfang zu. Dem großen weißemaillierten Schrank rechterhand von der Tür entnahm er einen sterilen, hermetisch in einer teuren Plastikhülle verschlossenen Laborkittel und eine Kappe.
    Nachdem er die weiße Kappe aufgesetzt und den Kittel übergezogen hatte, trat er durch die erste Glasschwingtür. Zwei Meter weiter befand sich eine zweite Tür; der Raum dazwischen wurde „Luftschleuse" genannt, obwohl er gar nicht luftdicht verschlossen war, sondern nur von einem kalten fluoreszierenden Licht erhellt, das angeblich keimtötend wirkte. Er hielt einen Moment inne, um die geordnete Aktivität im Computerraum zu beobachten.
    AMROK II war vierundzwanzig Stunden am Tag in Betrieb und wurde von drei Schichten zu jeweils zwanzig Helfern betreut. Blank sah mit Befriedigung, daß die gesamte Frühschicht die vorgeschriebenen wegwerfbaren Kittel und Kappen trug. Vier Männer saßen an einem Tisch aus rostfreiem Stahl; die anderen, junge Männer und Frauen, die in ihren weißen Papierkitteln geschlechtslos wirkten, kümmerten sich um die Anlage, die gerade jetzt surrend einen endlosen Streifen ausspuckte, der sich in einem Drahtkorb säuberlich zu teilweise gelochten Blättern faltete. Wie Blank wußte, handelte es sich um eine Aufstellung der Abgaben für die staatliche Arbeitslosenunterstützung.
    Das Surren dieses Apparats sowie das sanfte Start-Stop-Geflirre von Magnetbändern auf einem anderen waren die einzigen Geräusche, die Blank vernahm, als er die zweite Schwingtür aus Glas aufstieß und hindurchtrat. Die Weisung, unnötigen Lärm zu vermeiden, wurde gewissenhaft befolgt. Im übrigen war es in diesem Raum nicht nur leise,

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