Die erste Todsuende
hinterher, hielt sich hinter einem Pärchen verborgen und blieb ihnen dicht auf den Fersen. Wenn Blank sich jetzt umdrehte, würde er eine Dreiergruppe sehen.
Dan ging langsam. Das Pärchen bog ab. Er ging zügig weiter und überholte sein Wild abermals. Er war sich bewußt, daß Blank jetzt dicht hinter ihm ging, hatte jedoch weiter keine Angst. Die Straße war hell erleuchtet, und es waren noch Menschen unterwegs. Verrückt mochte Danny-Boy zwar sein, aber dumm war er nicht. Außerdem, darüber gab es für Delaney keinen Zweifel, näherte er sich seinem Opfer immer von vorn.
Delaney ging noch einen halben Block weiter und blieb dann stehen. Er hatte ihn verloren. Er wußte es, ohne sich umzudrehen. Instinkt? Irgendeine atavistische Fähigkeit? Verdammt! Er drehte sich um, blickte sich suchend um, fluchte über seine eigene Dummheit. Er hätte es wissen müssen oder doch darauf gefaßt sein sollen.
Auf halbem Weg bis zur nächsten Ecke lag eine Tierhandlung, die noch offen hatte. Das Schaufenster war strahlend hell erleuchtet. Hinter der Scheibe waren Welpen zu sehen - Foxterrier, Pudel und Spaniels tollten auf Zeitungsschnitzeln herum, schnappten spielerisch nach einander, ließen Wasser, verrichteten ihr großes Geschäft, drückten Schnauzen und Pfoten gegen die Scheibe, vor der rund ein halbes Dutzend Leute standen und lachten, ans Fenster klopften und die Hunde mit Kosenamen riefen. Unter ihnen Daniel Blank.
Er hätte es wissen müssen, sagte Delaney sich nochmals. Selbst der dümmste Polizist wußte, daß die meisten Mörder große Tiernarren waren. Sie hielten sich Hunde, Katzen, Sittiche und sogar Goldfische. Sie behandelten ihre Lieblinge mit zärtlicher Fürsorge, gaben viel Geld für sie aus, schleppten sie, wenn ihnen nur das Geringste fehlte, zum Tierarzt und hätschelten sie.
Blank löste sich von der Gruppe, überquerte die Straße und wich dem näherkommenden Verkehr aus. Delaney blieb auf seiner Straßenseite, doch als Dan eine Spirituosenhandlung betrat, ging auch der Captain über die Straße und besah sich die Auslagen des Geschäftes oder erweckte jedenfalls den Anschein, es zu tun. Er hatte den Kopf gerade so weit gesenkt, daß er Daniel Blank im Laden beobachten konnte.
Was Dan tat, war keineswegs rätselhaft. Er holte einen Zettel aus der rechten Tasche, faltete ihn auseinander, reichte ihn dem Verkäufer. Der Verkäufer warf einen Blick darauf und nickte, holte eine Flasche Scotch Whisky aus dem Regal und zeigte sie Blank. Die Flasche war geschenkmäßig verpackt, mit einer roten Schleife obendrauf. Blank sah sich die Verpackung genau an, schien einverstanden und nickte. Der Verkäufer stellte die Flasche ins Regal zurück. Blank holte einen Stapel Karten aus der Tasche. Sie sahen aus wie Weihnachtskarten. Der Verkäufer riß einen Papierstreifen von der Addiermaschine und zeigte ihn Blank. Dan zog seine Brieftasche heraus, entnahm ihr ein paar Scheine und bezahlte bar. Der Verkäufer gab ihm Wechselgeld zurück. Der Verkäufer behielt den Zettel und die Karten. Sie lächelten einander zu. Blank verließ den Laden. Der Vorgang war nicht schwer zu verstehen: Dan schickte zum Weihnachtsfest mehrere Flaschen Scotch an verschiedene Adressen. Er hatte dem Verkäufer eine Liste sowie Karten, die jedem Paket beigepackt werden sollten, übergeben. Hatte alles bar bezahlt. Also.
Delaney blieb Dan, der beschwingt vor ihm her ging, auf den Fersen. Er bewunderte seinen Gang: Die Ballen der Füße berührten den Boden, ehe er mit der Ferse aufsetzte. Er trödelte nicht, war offensichtlich nicht auf der Suche nach irgend was. Wollte nur ein wenig Luft schnappen. Delaney ging hinter ihm her, überholte ihn, blieb auf gleicher Höhe mit ihm, lief hin und her wie ein guter Spürhund. Nichts.
In weniger als einer halben Stunde war Blank wieder in seinem Hochhaus, ging zu den Aufzügen und verschwand. Delaney, auf der anderen Straßenseite, nahm einen Schluck Kognak aus der Taschenflasche, aß im Aufundabgehen die Hälfte seines Wurstbrotes und ließ die Halle nicht aus den Augen.
Ob Dan die Nacht über wohl zu Hause blieb? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Auf jeden Fall würde Delaney seinen Posten bis zum Morgengrauen nicht verlassen. Blanks Spaziergang war -nun ja, sagen wir: nicht aufschlußreich gewesen. Dennoch konnte der Captain das quälende Gefühl nicht loswerden, ihm sei irgend etwas entgangen. Aber was? Was nur? Mindestens dreiviertel der Zeit, die er unterwegs gewesen war, hatte
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