Die erste Todsuende
Verläßlich? Ehrlich? Vertrauenswürdig?"
„Aufrichtig wie ein Pfadfinder", versicherte ihm Sam. „Was zum Teufel soll das Ganze?"
„Sie erwähnten ein Darlehen", sagte Flo. „Was für ein Darlehen? In welcher Höhe?"
„Hm... eigentlich dürfte ich über diese Einzelheiten keine Auskunft geben", sagte Delaney leise und in vertraulichem Ton. „Mr. Blank hat um eine ziemlich große Summe gebeten, eine Hypothek, mit der er den Kauf eines Stadthauses in der East End Avenue finanzieren will."
Überrascht sahen die beiden Mortons sich an. Dann verzogen sie, was Delaney höchlichst interessierte, das Gesicht zu einem freudigen Grinsen.
„Celias Haus!" rief Sam. „Er kauft ihr Haus."
„Dann läuft es zwischen den beiden!" rief Flo. „Sie tun sich wirklich zusammen."
Captain Delaney nickte ihnen zu, riß Sam seine Visitenkarte aus der Hand, setzte den Homburg wieder auf und schickte sich an, das Büro zu verlassen.
„Warten Sie! Warten Sie doch!" rief Sam. „Sie haben doch nichts dagegen, wenn wir ihm erzählen, daß Sie hier waren, oder?"
„Daß Sie sich nach ihm erkundigt haben?" fragte Flo. „Sie haben doch nichts dagegen, daß wir ihn damit ein bißchen aufziehen?"
„Selbstverständlich nicht." Captain Delaney lächelte. „Tun Sie das nur!"
Beim nächsten Besuch trug er dieselbe Kleidung und bediente sich derselben Visitenkarte. Diesmal mußte er jedoch fast eine halbe Stunde lang in einem überheizten Vorzimmer warten, ehe er zu Mr. René Horvath, dem Personalchef der Javis-Bircham Gesellschaft, vorgelassen wurde. Endlich wurde er hereingebeten. Mit einer gewissen Geringschätzung musterte Mr. Horvath seinen Aufzug. Das war verständlich; er selbst trug nämlich einen Anzug aus schwarzer Rohseide, ein rotgemustertes Baumwollhemd mit steifem weißen Kragen und dazu einen schwarzen Strickbinder. Was Delaney am meisten an ihm gefiel, waren die schwarzen Knautschledermokassins mit den oben in die Lasche eingearbeiteten leuchtenden Kupfermünzen. Exquisit!
Delaney tischte dem Personalchef die gleiche Geschichte auf wie den Mortons, ohne jedoch die Hypothek zu erwähnen, sondern erklärte nur; Mr. Blank habe um ein Darlehen nachgesucht, und ihm, Mr. J. David McCann - „Meine Karte, Sir" -, und der Universal Credit Union gehe es nur darum festzustellen, ob Mr. Blank, wie er angegeben habe, bei Javis-Bircham angestellt sei.
„Ja, das ist er", erklärte der elegante Mr. Horvath und reichte ihm die Visitenkarte zurück. „Mr. Daniel Blank ist zur Zeit bei uns beschäftigt."
„In verantwortlicher Stellung?"
„In sehr verantwortlicher."
„Vermutlich können Sie mir keine Auskunft darüber geben, wie hoch Mr. Blanks Jahreseinkommen ist?"
„Nein, darüber kann ich keine Auskunft geben."
„Mr. Horvath, ich versichere Ihnen, daß alles, was Sie mir sagen, streng vertraulich behandelt wird. Halten Sie Mr. Blank für ehrlich? Für zuverlässig und vertrauenswürdig?"
Mr. Horvaths verkniffenes Gesicht wurde womöglich noch verkniffener. „Mr. McClosky..."
„McCann."
„Mr. McCann, alle leitenden Angestellten von Javis-Bircham sind ehrlich, zuverlässig und vertrauenswürdig." Delaney nickte und setzte den Homburg wieder auf. „Ich danke Ihnen, daß Sie mir Ihre Zeit gewidmet haben, Sir. Ich bin Ihnen aufrichtig verbunden. Ich erfülle nur meine Pflicht - ich hoffe, das ist Ihnen klar."
„Selbstverständlich."
Delaney wandte sich zum Gehen, doch plötzlich merkte er, wie sich eine Hand leicht auf seinen Arm legte. „Mr. McCann...?" „Ja, bitte?"
„Sie sagten, Mr. Blank habe um ein Darlehen gebeten?" „So ist es, Sir." „In welcher Höhe?"
„Ich bin leider nicht befugt, Ihnen das zu sagen, Sir. Doch in Anbetracht Ihrer Zuvorkommenheit kann ich zumindest andeuten, daß es sich um eine beträchtliche Summe handelt."
„Was Sie nicht sagen", murmelte Mr. Horvath und starrte auf die Kupferpennies seiner Mokassins. „Höchst sonderbar. Sie müssen nämlich wissen, Mr. McCann, daß Javis-Bircham ein eigenes Darlehensprogramm hat, das allen Angestellten, vom Kellnerlehrling in der Kantine bis zum Aufsichtsratsvorsitzenden gleichermaßen offensteht. Jeder kann bis zu fünftausend Dollar zinsfrei bekommen und das Darlehen in langfristigen Raten zurückzahlen. Warum hat Mr. Blank um ein Darlehen gebeten?"
„Ach, nun ja." Delaney lachte unbeschwert. „Sie wissen doch, wie das so ist: Jeder ist früher oder später einmal knapp bei Kasse - hab ich recht? Ich nehme an, er wollte es nicht
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