Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
und er sagte ihr soviel, wie sie seiner Meinung nach wissen durfte: daß er, zum Teil dank ihrer Mühe, gute Aussicht habe, den Mörder dingfest zu machen, er sie jedoch im Augenblick nicht so oft besuchen könne, wie er das gern getan hätte. Sie verstand das sehr gut.

    „Passen Sie bitte gut auf sich auf", beschwor sie ihn. „Sie sehen ungewöhnlich abgespannt aus."
    „Ich fühle mich aber prächtig", widersprach er. „Ich schlafe wie ein neugeborenes Kind."
    „Und wie lange?"
    „Nun... soviel ich kann."
    „Und bekommen ganz gewiß auch regelmäßig Ihre Diät", sagte sie sardonisch.
    Er lachte. „Ich verhungere schon nicht", versicherte er ihr. „Mit ein bißchen Glück ist es bald überstanden. So oder so. Gehen Sie noch immer zu Barbara?"
    „Ja, fast täglich. Wissen Sie, wir sind so grundverschieden, und doch haben wir vieles gemeinsam."
    „Wirklich? Das ist gut. Ich habe Barbara gegenüber ein schlechtes Gewissen. Ich stürme herein und bin, kaum daß ich 'Hallo' sage, auch schon wieder draußen. Aber sie kennt das schon. Schließlich ist sie eine Polizistenfrau."
    „Ja. Das hat sie mir gesagt."
    Die Traurigkeit, die in ihrer Stimme mitschwang, versetzte ihm einen Stich, ließ ihn unbestimmt ahnen, was er in diesem Augenblick hätte tun sollen, aber nicht tat. Aber darüber konnte er jetzt nicht nachdenken.
    „Vielen Dank, daß Sie Barbara besuchen", sagte er. „Hat sie Ihnen erzählt, daß wir inzwischen Großeltern geworden sind?"
    „Ja, das hat sie gesagt. Mazeltov."
    „Vielen Dank." Er rieb sich das Kinn, spürte die Stoppeln, und ihm fiel ein, daß er sich heute morgen nicht rasiert hatte. Das ging nicht an. Er mußte den Anblick eines gepflegten, wie aus dem Ei gepellten, zuversichtlichen Kommandanten bieten. Das war für seine Leute wichtig.
    „Edward", sagte sie leise und besorgt, „ist auch wirklich alles in Ordnung?"
    „Selbstverständlich ist alles in Ordnung mit mir", sagte er unbewegt. „Solche Zeiten habe ich früher schon durchgemacht."
    „Sie machen einen so - so ausgepumpten Eindruck. Diese Sache ist Ihnen wichtig, nicht wahr?"
    „Wichtig? Daß ich diesen Kerl festnagele? Selbstverständlich ist mir das wichtig. Ihnen etwa nicht? Schließlich hat er Ihren Mann umgebracht."
    Sie zuckte unter der Schonungslosigkeit, mit der er das sagte, zusammen. „Ja", sagte sie kaum hörbar, „natürlich ist es auch für mich wichtig. Aber mir will nicht gefallen, wie Sie das mitnimmt."
    Er weigerte sich, darüber nachzudenken, was sie gesagt oder was sie gemeint hatte. Das Wichtigste zuerst.
    „Ich muß jetzt leider gehen", sagte er und winkte dem Kellner.
    Er fand in dieser hektischen Woche sogar die Zeit für zwei Besuche. Ohne sich ganz im klaren über den Zweck zu sein, suchte er aus seinem Stapel die Visitenkarte eines gewissen J. David McCann heraus, Repräsentant einer Firma, die sich Universal Credit Union nannte. In steifem Homburg und schlechtsitzendem Zivilmantel betrat er die sterile „Erotica"-Boutique in der Madison Avenue und fragte nach Mr. oder Mrs. Morton. Wie er gehofft hatte, erkannten beide in ihm nicht den früheren Leiter des Polizeireviers, in dessen Grenzen sie lebten und arbeiteten.
    Er unterhielt sich mit ihnen in dem hinter dem Verkaufsraum gelegenen kleinen Büro. Weder er noch sie hatten eine Ahnung, wer er war, und ihm ging auf, daß der durchschnittliche New Yorker, abgesehen von ein paar bekannten Persönlichkeiten, aktiven Mitgliedern von Geschäftsverbänden, Interessengruppen oder sozial aktiven Leuten, nicht die geringste Ahnung hatte, wie der Mann hieß oder aussah, der in seinem Revier für Law and Order sorgte. Ein Gedanke, bei dem jeder Hochmut verflog.

    Delaney zog den Hut, verbeugte sich, wies seine falsche Visitenkarte vor und tat alles, um so geschäftsmäßig wie möglich aufzutreten.
    „Ich will Ihnen nichts verkaufen", sagte er und erntete schon damit ihre Dankbarkeit. „Es geht lediglich um die routinemäßige Überprüfung der Kreditwürdigkeit eines Kunden. Mr. Daniel G. Blank hat um einen Kredit gebeten und Sie als Referenz angegeben. Wir möchten eigentlich nur sichergehen, daß Sie ihn auch tatsächlich kennen."
    Flo sah Sam an. Sam sah Flo an.
    „Aber natürlich kennen wir ihn", sagte Sam beinahe beleidigt. „Er ist ein sehr guter Freund von uns."
    „Wir kennen ihn seit Jahren", bestätigte Flo. „Er wohnt im selben Haus wie wir."
    „Mm-hmm." Delaney nickte. „Ein Mann mit gutem Charakter, würden Sie sagen?

Weitere Kostenlose Bücher