Die erste Todsuende
publik machen." Er ließ einen ziemlich verstörten Mr. Horvath zurück. Wenn Handrys Eindruck stimmte, dachte Delaney, und Blanks Position unsicher war, dann war sie es durch seinen Besuch noch mehr geworden.
Jeden Nachmittag um drei Uhr wurde in Delaneys Arbeitszimmer „Kriegsrat" gehalten. An ihm nahmen Delaney, Jeri Fernandez, Ronald Blankenship und Thomas MacDonald teil. Delaneys Alkoholvorrat stand bei dieser Gelegenheit allen zur Verfügung; wer mochte, konnte sich auch ein kaltes Bier oder eine Tasse heißen Kaffee aus der Küche holen.
Auf den ersten Sitzungen war es vornehmlich um Fragen der Planung und der Organisation gegangen, um die Abgrenzung der Kompetenzen, die Auswahl der anzufordernden Leute, wer wem gegenüber weisungsberechtigt war. Später, als die ersten Auskünfte vorlagen, brachten sie einen Teil ihrer Zeit damit zu, den von Blankenships Abteilung ermittelten „Tagesablauf" von Daniel Blank durchzusprechen: der Zeitpunkt seiner Abfahrt ins Büro, seiner Ankunft im Javis-Bircham-Gebäude, wann und wohin er für gewöhnlich zum Mittagessen ging, seine Rückkehr ins Büro, Abfahrt nach Hause, Ankunft zu Hause, wann und wohin er abends ging und wie lange er fort blieb. Nach vier Tagen hatte sich ein klares Grundmuster herausgeschält. Daniel Blank schien ein absolut ordentlicher, disziplinierter Mann zu sein.
Probleme tauchten auf, wurden durchgesprochen. Delaney hörte sich die Meinung jedes einzelnen an. Nachdem man darüber gesprochen hatte, traf er die letzte Entscheidung.
Frage: Sollte man - mit Hilfe der Hausverwaltung - versuchen, einen als Angestellten getarnten Polizeibeamten in das Hochhaus einzuschleusen: als Dienstmann, Pförtner oder sonstwie? Delaneys Entscheidung: nein.
Frage: Sollte man versuchen, bei Javis-Bircham einen Polizisten einzuschleusen, möglichst in Blanks Abteilung? Delaneys Entscheidung: ja. Mit dieser Aufgabe wurde Fernandez betraut: Er sollte sich eine möglichst glaubhafte Geschichte ausdenken.
Frage: Sollte ein „Tagesablauf" für die Bewohner des Stadthauses in der East End Avenue erarbeitet werden: Delaneys Entscheidung: nein. Die anderen vier waren ebenfalls dieser Meinung.
„Wir schauen da einfach noch nicht durch", gab MacDonald zu. „Über diesen Valenter, den Butler oder wie man ihn sonst nennen will - gibt es eine Akte wegen Belästigung von jungen Männern. Doch er wurde nicht verurteilt. Mehr haben wir bis jetzt nicht."
„Ich habe auch nicht viel mehr", gestand Fernandez. „Die Frau - diese Celia Montfort - ist zweimal nach Selbstmordversuchen im Krankenhaus zu den 'Barmherzigen Schwestern' gewesen. Aufgeschnittene Pulsadern. Und einmal hat man ihr den Magen ausgepumpt."
„Der Junge scheint eine Schwuchtel zu sein", sagte Blankenship, „aber ein genaues Bild haben wir noch nicht. Ich glaube, kein Mensch weiß, was da eigentlich vorgeht. Jedenfalls haben wir noch nichts Endgültiges herausgefunden. Die Frau kommt und geht zu jeder Tages- und Nachtzeit. Zwei Tage war sie überhaupt nicht zu sehen. Wo sie gewesen ist, wissen wir nicht. Um das zu erfahren, müßten wir einen eigenen Beschatter auf sie ansetzen. Sollen wir das, Captain?"
„Nein", sagte Delaney. „Noch nicht. Bleibt dran!"
Bleibt dran! Bleibt dran! Das war alles, was sie immer wieder von ihm hörten, und sie hielten sich daran, weil er genau zu wissen schien, was er tat, Zuversicht ausstrahlte und niemals daran zu zweifeln schien, daß sie diesen Psychopathen, wenn sie nur alle dranblieben, festnageln könnten und die Morde ein Ende nähmen.
Daniel G. Blank. Captain Delaney kannte seinen Namen, die anderen inzwischen ebenfalls. Es ließ sich nicht ändern. Die Männer auf der Straße, im Gerätewagen der Con-Ed-Gesellschaft, in den unmarkierten Polizeiwagen, sie alle einigten sich, ohne daß jemals darüber geredet worden wäre, den Mann, den sie beobachteten, „Danny-Boy" zu nennen. Sie hatten sein Foto, das hundertfach vervielfältig worden war, wußten, wo er wohnte, und verfolgten aufmerksam sein Kommen und Gehen. Trotzdem sagte man ihnen immer nur, daß man ihn „verdächtige".
Irgendwann in dieser Vorweihnachtswoche - an das genaue Datum konnte sich Captain Delaney später nicht mehr erinnern -berief er seine erste Pressekonferenz ein. Sie fand in dem jetzt leeren Aufenthaltsraum der Detektive im ersten Stock des 251. Reviers statt. Erschienen waren die Reporter der Zeitungen und Zeitschriften sowie der Fernsehregionalprogramme. Man hatte Fernsehkameras
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