Die erste Todsuende
alle bewußt ein nichtssagendes Gesicht, aber er wußte, daß sie das gleiche befürchteten wie er: daß der Vogel ausgeflogen war.
Er war im Funkraum, als um 14 Uhr 48 ein Knistern aus einem der Lautsprecher ertönte, dann war deutlich zu hören:
„Bulldogge eins an Barbara."
„Ich höre."
„Hier Fernandez", sagte die Stimme. „Danny-Boy ist gerade herausgekommen."
Ein allgemeines Aufatmen ging durch den Raum.
„Was hat er an?" fragte der Captain den Funker.
Der Beamte wiederholte die Frage in sein Mikrofon, doch Fernandez hatte die laute Stimme des Captain erkannt.
„Schwarzer Mantel", berichtete er. „Kein Hut. Hände in den Taschen. Geht in Richtung Westen. Sieht aus, als ob er einen Spaziergang machen will. Ich werde Bulldogge drei hinter ihm herschicken und zwei Beschatter zu Fuß. LeMolle ist Bulldogge zwanzig. Sanchez Bulldogge vierzig. Verstanden?"
„Wiederhole: LeMolle Bulldogge zwanzig, Sanchez Bulldogge vierzig."
„Beide melden sich so bald wie möglich über Sprechfunk. Danny-Boy geht immer noch in Richtung Westen. Ende."
Delaney und die anderen standen im Halbkreis um den Tisch mit den Sende- und Empfangsgeräten, ihre Augen waren auf den Lautsprecher gerichtet.
Fast fünf Minuten war nichts zu hören. Einer der Männer räusperte sich, entschuldigend blickte er die anderen an.
Plötzlich ein Flüstern: „Bulldogge zwanzig an Barbara. Versteht ihr mich?"
„Leise, aber gut."
„Danny-Boy ist jetzt auf der 83rd Street, zwischen 2nd und 3rd Avenue, geht in Richtung Westen. Ende." Es war eine Frauenstimme.
„Wer ist denn LeMolle?" fragte Delaney Blankenship.
„Polizeibeamtin Martha LeMolle. Als Hausfrau getarnt - mit Einkaufstasche und allem Klimbim."
Delaney wollte noch etwas sagen, doch da knisterte es wieder im Lautsprecher.
„Bulldogge vierzig an Barbara. Versteht ihr mich?"
„Jawohl, vierzig. Gut. Wo ist er?"
„Biegt in die 3rd Avenue ein. Ende."
Ohne Delaneys Frage abzuwarten, erklärte Blankenship: „Vierzig ist Detective Second Grade Ramon Sanchez. Angezogen wie ein orthodoxer jüdischer Rabbi."
Als also Daniel G. Blank die braune Papiertüte in den Abfallkorb steckte, befand sich kaum fünf Meter hinter ihm die Hausfrau und sah, was er tat, und der Rabbi stand auf der anderen Straßenseite und beobachtete ihn gleichfalls. Beide folgten Danny-Boy zurück bis zum Weißen Haus, doch in der Zwischenzeit hatte Blankenship auf Delaneys Anweisung bereits einen Wagen zu der Ecke geschickt mit dem Auftrag, den Abfallkorb abzumontieren und zur Kommandozentrale zu bringen. Delaney dachte, daß es vielleicht der Eispickel wäre.
Mindestens zwanzig Männer drängten sich um den Küchentisch, als die beiden Beamten in Zivil den Abfallkorb hereintrugen und auf dem Linoleum abstellten.
„Ich hab ja immer gewußt, daß du noch mal bei der Müllabfuhr enden würdest, Tommy", rief jemand. Einige lachten nervös.
„Kippt ihn aus", befahl Delaney. „Langsam. Schüttet den ganzen Mist auf den Fußboden. Klopft jede Zeitung aus. Seht in jeder Tüte nach."
Es dauerte nahezu zehn Minuten, bis sie alles durchgesucht hatten. Fast ganz unten lag eine kleine braune Papiertüte. Einer der beiden Kriminalbeamten machte sie auf und sah hinein.
„Großer Gott!"
Die Umstehenden sagten nichts, doch sie drängten sich näher heran. Langsam ließ der Beamte den Inhalt auf den Küchentisch fallen. Die Dienstmarke eines Polizisten.
Da war etwas: ein kollektives Aufstöhnen, ein Nach-Luft-Ringen, etwas, das Zorn verriet und Angst. Die Männer senkten die Köpfe.
„Das ist Kopes Marke", rief einer, und seine Stimme überschlug sich förmlich vor Wut. „Ich hab mit ihm zusammen gearbeitet. Das ist Kopes Nummer. Ich kenne sie."
Einer sagte: „OH, dieses verdammte Schwein!"
Ein anderer wiederholte ständig: „Miststück, Miststück, Miststück..."
Einer sagte: „Los, worauf warten wir? Laßt ihn uns auf der Stelle umlegen!"
Delaney hatte den Kopf gebeugt und starrte die Dienstmarke an. Es war nicht schwer sich auszumalen, was passiert war. Daniel Blank hatte das Beweismaterial vernichtet, hatte Ausweise und Rosenblätter durchs Klo gespült oder der Verbrennungsanlage übergeben. Das hier jedoch war gutes Metall, und so hatte er sich gesagt, daß er es besser woanders verschwinden ließe. Nicht sehr klug von dir, Danny-Boy!
„Laßt ihn uns umlegen!" wiederholte jemand, lauter diesmal.
Der Captain war jetzt mit einem neuen Problem konfrontiert. Er hatte gehofft, es würde nicht
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