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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Bügel zielte und nicht auf das Schloß selbst - wo die Kugel unter Umständen nur den Schließmechanismus verklemmt hätte, ohne daß das Schloß aufgegangen wäre. Er fing an, den alten Mann zu bewundern. Die Explosion war unerwartet laut. Aus dem trockenen Gebüsch am Wegrand flogen mit rauhen Schreien zwei braune Vögel auf.
    Der Chief stieß die Tür auf. Im Blockhaus roch es muffig. An der Wand hing ein altes Telefon mit hölzernem Gehäuse, das mit einer Handkurbel betrieben wurde.
    „Ein solches Telefon habe ich ja schon seit Jahren nicht mehr gesehen", bemerkte Delaney.
    „Hier in der Gegend gibt es noch einige von dieser Sorte. Das Telefonfräulein heißt Muriel. Sagen Sie ihr bitte, ich sei mit hier draußen, falls sie irgendwelche Nachrichten für mich hat." Er ließ Delaney in der Hütte allein.
    Der Captain drehte die Kurbel; Muriel meldete sich mit dankenswerter Schnelligkeit. Delaney erklärte ihr, wer er sei und richtete ihr Chief Forrests Auftrag aus.
    „Ja, seine Frau läßt fragen, ob sie das Essen warmhalten soll", sagte sie. „Sagen Sie ihm das bitte."
    „Mach ich."
    „Ist der Mörder bei Ihnen da draußen?" fragte sie.
    „Ja, so halb und halb. Können Sie mich bitte mit New York verbinden?"
    „Natürlich kann ich das, was glauben Sie?"
    Als erstes rief er Blankenship an und schilderte ihm in knappen Worten die Situation. Er trug ihm auf, Deputy Inspector Thorsen anzurufen und ihn ebenfalls zu unterrichten.
    Dann rief er Barbara im Krankenhaus an. Es war ein qualvolles Gespräch. Sie weinte immerzu. Schließlich kam eine Schwester an den Apparat und erklärte ihm, seine Frau befinde sich in einem Erregungszustand und es sei besser, das Gespräch zu beenden. Er hängte ein - innerlich verstört und angstvoll.
    Dann rief er Dr. Sanford Ferguson an.
    „Hier Captain Edward X. Delaney."
    „Edward! Ich gratuliere! Ich höre, Sie haben ihn?"

    „Nein, noch nicht ganz. Er sitzt oben auf einem Felspfeiler, wo wir nicht hinaufkönnen."
    „Auf einem Felspfeiler?"
    „Ja, etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Meter hoch. Sagen Sie, Doktor, wie lange kann ein Mensch es ohne Essen und Trinken aushalten?"
    „Ohne Essen oder ohne Trinken? Rund zehn Tage, schätze ich. Vielleicht auch weniger. Das Essen ist nicht so wichtig - aber der Wasserentzug, das ist das Problem. Die Dehydration."
    „Wie lange dauert es, bis sie einsetzt?"
    „Oh... vierundzwanzig Stunden."
    „Und was passiert dann?"
    „Aber das läßt sich doch leicht denken. Das Gewebe schrumpft, die Kräfte schwinden, die Nieren versagen. Schmerzen in den Gelenken. Doch wenn es erst einmal so weit ist, spürt der Mensch nichts mehr davon. Eines der ersten psychologischen Symptome ist der Verlust des Willens, eine gewisse Gleichgültigkeit. So wie beim Erfrieren. Der Mensch verliert ein Fünftel bis ein Viertel seines Körpergewichts. Schwindelgefühle. Muskelstarre. Schwäche. Er kann nichts mehr erkennen, alles verschwimmt vor seinen Augen. Nach dem dritten Tag fängt er wahrscheinlich an zu halluzinieren. Die Blase behält nichts mehr bei sich. Kurz vor dem Ende schwillt der Bauch an. Alles in allem kein angenehmer Tod. Aber glauben Sie, daß es dazu kommt, Edward?"
    „Ich weiß nicht. Jedenfalls vielen Dank für Ihre Auskunft. Das war mir eine große Hilfe."
    Er legte auf, trat auf die Veranda hinaus und sagte zu Forrest: „Ihre Frau möchte wissen, ob sie das Essen warmhalten soll."
    „Jaja." Der Chief nickte. „Ich sag ihr Bescheid, sobald ich es weiß. Captain, warum haben Sie..." Er hörte unvermittelt auf zu sprechen und legte den Kopf zur Seite. „Sirenen", sagte er. „Sie kommen. Das sind bestimmt die Jungs von der State Police."
    Gleich darauf brausten zwei Wagen um die Ecke und schössen durch das Parktor, kamen unweit des Zauns zum Stehen. Auch ihre Sirenen erstarben langsam. Vier Mann in jedem Wagen; die Nachhut bildete ein ramponierter Ford. „Orange County Clarion" stand auf beiden Türen. Ein Mann saß darin.
    Delaney stieg die Verandastufen hinunter und sah zu, wie die acht Polizisten ihre Wagen verließen und die Hände auf die auf Hochglanz polierten Pistolentaschen legten.
    „Hoho", brummte Chief Forrest, „da kommt Smokey der Bär."
    Der Captain holte seinen Ausweis heraus und betrachtete den näher kommenden Polizeioffizier in der grauen Winteruniform der Polizei des Staates New York; Koppel und Pistolentasche glänzten böse. Ganz gerade saß der breitkrempige Stetson auf seinem Kopf. Mit vorgeschobenem Kinn

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