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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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diesem Punkt zustimmte, rief Delaney bei Thorsen an, um ihm ein Bild von der Lage zu geben und ihm in groben Zügen die Abmachungen mit der State Police darzulegen. Thorsen sagte, er werde zurückrufen; Delaney nahm an, daß er sich beim Stellvertretenden Bürgermeister Alinski rückversichern wollte. Auf jeden Fall rief Thorsen innerhalb kurzer Zeit zurück und erklärte sein Einverständnis.
    Doch ohne die Hilfe von Chief Evelyn Forrest wäre ihnen vieles nicht möglich gewesen. Der Mann war ein Wunder an Tüchtigkeit, ohne sich je aus der Ruhe bringen zu lassen. Er sorgte dafür, daß die Turnhalle der über die Weihnachtsfeiertage geschlossenen High School von Chilton als Schlafsaal für die zur Belagerung des Teufelszahns abkommandierten Polizeibeamten eingerichtet wurde. Aus Beständen der Nationalgarde von Orange County wurden Pritschen, Matratzen, Kissen und Wolldecken herbeigeschafft. Selbst die Leute vom freiwilligen Katastropheneinsatz mobilisierte der Chief; sie stellten einen kleinen Lastwagen zur Verfügung, in dem rund um die Uhr Kaffee und Schmalzkringel ausgegeben wurden.
    Chief Forrest hatte Captain Delaney zwar angeboten, bei ihm zu übernachten, doch der Captain entschied sich für eine einfache Pritsche, die er in der Blockhütte aufschlug.
    Kurz nach Einbruch der Dunkelheit richteten sie an den Flüchtigen über Megaphon die Aufforderung, sich zu ergeben; dieser Appell sollte von nun an jede Stunde wiederholt werden.
    „Daniel Blank, hier spricht die Polizei. Sie sind umstellt und haben keine Chance zu fliehen. Kommen Sie herunter, es wird Ihnen nichts geschehen. Man wird Ihnen einen fairen Prozeß machen, ein Anwalt wird Sie verteidigen. Kommen Sie jetzt herunter. Sie ersparen sich eine Menge Unannehmlichkeiten. Daniel Blank, es wird Ihnen nichts geschehen, wenn Sie jetzt herunterkommen. Sie haben keine Chance zu fliehen."
    „Glauben Sie, das nützt etwas?" fragte Forrest Captain Delaney.
    „Nein."
    „Na ja", sagte der Chief und seufzte. „Jedenfalls stört es seine Nachtruhe."
    Um halb zwölf nachts fühlte Delaney sich völlig zerschlagen und wünschte nichts sehnlicher, als ein heißes Bad zu nehmen und acht Stunden zu schlafen. Doch als er sich, ohne sich auszuziehen, auf der kalten Pritsche ausstreckte, gelang es ihm nicht einzuschlafen, sondern er lag wach da; in seinem Kopf drehte sich alles, seine Nerven waren völlig überreizt. Er stand auf und ging hinaus auf die Veranda, lehnte sich an die Balustrade und beobachtete das noch immer lebhafte Kommen und Gehen, sah, wie die Männer sich an den Felsen heranschlichen, stehenblieben, hinaufblickten und an den Mann dort oben dachten.
    Er selber tat das gleiche. Auch er legte den Kopf in den Nacken und blickte nach oben, wo hoch über dem Felsen am schwarzen Himmelsgewölbe die Sterne ihre unendliche Bahn zogen.
    Ihm wurde schwindlig vor Augen. Nie zuvor war er so unsicher gewesen. Sein Leben schien keinen Halt zu haben, kam ihm sinnlos vor. Alles drohte zusammenzustürzen. Seine Frau lag im Sterben, Monica Gilbert haßte ihn, und der Mann dort oben...
    Er spürte, daß jemand neben ihm stand. Dann hörte er die Worte:
    „... sobald ich konnte." Es war Thomas Handry. „Vielen Dank für Ihren Hinweis. Ich habe noch schnell einen allgemein gehaltenen Artikel geschrieben und bin dann gleich hierher gefahren. Ich habe mich in einem Motel nördlich von Chilton einquartiert."
    Delaney nickte.
    „Geht's Ihnen einigermaßen, Captain?"
    „Ja, danke."
    Handry drehte sich um und sah zur Felsspitze hinauf. Wie alle anderen legte er den Kopf in den Nacken und richtete die Augen nach oben.
    Plötzlich hörten sie die aus dem Megaphon dringende, scheppernde Stimme. Es war Mitternacht.
    Das Megaphon schwieg. Angestrengt blickten die Männer noch immer hinauf. Oben rührte sich nichts.
    „Er wird nicht herunterkommen, nicht wahr, Captain?" fragte Handry leise.
    „Nein", sagte Captain Delaney, „er wird nicht herunterkommen."

48
    Zum erstenmal erwachte er auf dem Teufelszahn, und ihm war, als habe er geträumt. Er erinnerte sich an eine Stimme, die „Daniel Blank... Daniel Blank..." gerufen hatte. Das könnte seine Mutter gewesen sein, denn sie hatte ihn immer beim vollen Namen gerufen: „Daniel Blank, hast du schon deine Hausaufgaben gemacht? Daniel Blank, ich möchte, daß du zum Kaufmann gehst. Daniel Blank, hast du dir die Hände gewaschen?" Zum erstenmal ging ihm auf, wie merkwürdig es war, daß sie ihn nie Daniel oder Dan oder mein Sohn

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